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Indiens Corona-Katastrophe : Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit

  • -Aktualisiert am

„Shamshan! Shamshan!“ – Ein Mann in Schutzkleidung blickt auf die Massenverbrennungen von Corona-Toten. Bild: Getty

Nein, Indien kann nicht abgeriegelt werden. Wir brauchen Hilfe. Denn diese Corona-Katastrophe ist auch eine Katastrophe von Modis Politik. Ein Gastbeitrag.

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          Während eines besonders polarisierenden Wahlkampfes im Bundestaat Uttar Pradesh im Jahr 2017 warf sich der indische Premierminister Narendra Modi ins Getümmel, um Unruhe zu stiften. Auf einem öffentlichen Podium bezichtigte er die staatliche Regierung – die von einer Oppositionspartei geführt wurde –, sie komme allzu sehr der muslimischen Gemeinde entgegen, da sie mehr Mittel für muslimische Friedhöfe (Kabristan) als für hinduistische Verbrennungsstätten für Leichen (Shamshan) ausgebe. Mit seinem üblichen wiehernden Hohnlachen, mit dem er bei jeder spöttischen Bemerkung, jedem gehässigen Wort die Stimme in der Mitte des Satzes anhebt, bevor er sie mit einem drohenden Echo absinken lässt, heizte er die Menge ein. „Wird in einem Dorf ein Kabristan gebaut, sollte dort auch ein Shamshan errichtet werden,” sagte er.

          „Shamshan! Shamshan!“, schlug ihm die verzauberte Menge als Echo zurück. Vielleicht ist er jetzt glücklich, dass das gespenstische Bild der Flammen, die aus den Massenbegräbnissen in Indiens Krematorien emporsteigen, die Titelseite der internationalen Zeitungen ziert. Und dass jeder Friedhof und jede Verbrennungsstätte in seinem Land ordnungsgemäß genutzt wird, und zwar im direkten Verhältnis zu den Bevölkerungen, denen sie dienen und weit über ihre Kapazitätsgrenzen hinaus. „Kann Indien mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern abgeriegelt werden?“, lautete die rhetorische Frage der „Washington Post“ vor kurzem in einem Leitartikel über Indiens sich anbahnende Katastrophe und die Schwierigkeit, die neuen, sich schnell ausbreitenden Varianten des Coronavirus innerhalb der Landesgrenzen einzudämmen. „Nicht so einfach“, antwortete die Zeitung. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Frage auf dieselbe Art gestellt wurde, als das Coronavirus vor ein paar Monaten in Großbritannien und Europa wütete. Doch wir in Indien haben wenig Recht, daran Anstoß zu nehmen, wenn man sich an die Worte unseres Premierministers auf dem Weltwirtschaftsforum im Januar dieses Jahres erinnert.

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