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Im F.A.Z.-Gespräch: Patri Friedman : „Ich will ein schwimmendes Hong Kong erschaffen“

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Patri Friedman

Patri Friedman Bild: Seasteading Institute

Der Gesellschaftsutopist Patri Friedman will die Ozeane mit Inselstaaten besiedeln. Der Enkel des berühmten Ökonomen Milton Friedman hat seinen Job bei Google gekündigt, um eine anarcho-kapitalistische Utopie zu verwirklichen.

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          Der Gesellschaftsutopist Patri Friedman will die Ozeane mit Inselstaaten besiedeln. Der Enkel des berühmten Ökonomen Milton Friedman hat seinen Job gekündigt, um eine anarcho-kapitalistische Utopie zu verwirklichen.

          Herr Friedman, in den Vereinigten Staaten ist die Steuer- und Abgabenlast relativ niedrig. Sie könnten froh darüber sein! Stattdessen wollen Sie aufs Meer auswandern, um gar keine Steuern mehr zahlen zu müssen?

          Es geht mir dabei ja nicht ausschließlich um wirtschaftliche Fragen. Die Vereinigten Staaten sind auch das Land mit den meisten Inhaftierten auf der ganzen Welt - das so genannte Land der Freiheit! Und was die Steuern angeht, würde ich mich nicht so darüber ärgern, wenn das Geld für nützliche Dinge ausgegeben würde. Aber der Staat verschwendet es. Mein grundsätzliches Thema ist: Unser Land ist viel zu schwerfällig. Stellen Sie sich ein Regierungs- und Steuersystem, also diese ganze Ansammlung von Regeln und Gesetzen, einmal als eine Technologie vor. Mit Technologien sollte man doch experimentieren, und man muss sagen, dass wir sehr wenig experimentieren! Das Staatssystem ist eine Technologie - und es gibt in diesem Sektor überhaupt keine Start-Ups. Wir möchten den Menschen ermöglichen, mit Staatsformen zu experimentieren und so Fortschritt ermöglichen.

          Sie sind seit 2008 Präsident des „Seasteading Instituts“, das sich zum Ziel gesetzt hat, schwimmende, autonome Siedlungen zu erbauen. Auf diesen sollen ähnlich gesinnte Bürger weit draußen auf den Ozeanen leben, in hoheitsfreien Gewässern, in Staatsformen, die sie selbst wählen. Auf unserer Welt gibt es bereits einhundertdreiundneunzig Länder. Ist da denn keines dabei, mit dem auch Sie sich arrangieren könnten?

          Nein. Denn in Ländern, die mehr Steuerfreiheit bieten, herrscht weniger wirtschaftliche Freiheit. Unsere Idee ist größer: Anstelle von einhundertdreiundneunzig Ländern soll es Tausende Länder geben, mit einer viel breiteren Palette an Steuer- und Sozialsystemen. Unser Problem ist nicht die Anzahl an Staaten, sondern die hohen Eintrittsbarrieren auf diesen „Markt“. Um ein neues System auszuprobieren, müssten Sie schon eine Revolution machen. Oder einen Krieg gewinnen. Vielleicht müsste man auch nur eine Wahl gewinnen, aber auch das ist sehr schwierig.

          Das gilt wohl auch für Ihr Vorhaben. Bis zum vergangenen Jahr haben Sie ja für Google als Ingenieur gearbeitet, man kann sagen: für eine der innovativsten Firmen der Welt. Dort war es Ihnen also zu konventionell?

          Genau. Wir machten Marktforschung. Das war zwar ganz interessant, aber lange nicht so spannend, wie die Welt zu revolutionieren.

          Lieben Sie das Meer?

          Ja. Aber das ist nicht die Motivation für unser Projekt. Die politische Idee ist zentral: Wir wollen mehr Vielseitigkeit und Innovation. Und für Länderneugründungen ist der Ozean der beste Raum. Im Moment reden wir viel, präsentieren unsere Ideen, entwerfen gutaussehende Modelle, bloggen - all das sind die einfachsten Übungen. Mehr Geld zu sammeln, konkret mit den Ingenieuren zu arbeiten, das Projekt Schritt für Schritt umzusetzen ist schon viel schwieriger, aber auch viel wichtiger. Wir haben gerade das erste Modell fertig gebaut, aber wir müssen es weiter verbessern, bevor wir den Prototypen bauen, der in einigen Jahren vor der Küste von San Francisco schwimmen soll.

          Wie lange brauchten Sie von der Idee bis zur Entscheidung, mit dieser Science-Fiction-Idee Ernst zu machen?

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