Gendersprache : Leitfaden zur Neutralisierung der Welt
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Die Sprachlenkung ist ein Spiegelbild des adakemisch-linksliberalen Milieus, dessen Liberalität immer dann in den Hintergrund tritt, wenn es um die vermeintlich gute Sache im Dienste der Volkserziehung geht: Dann sind pädagogische Stupser in die gewünschte Richtung, administrativ flankiert durch „Empfehlungen“ und „Leitfäden“, denen man besser folgt, wenn man in ihrem Geltungsbereich reüssieren will, durchaus willkommen. Dass sich dieser sprachpolitische Trend ändern wird, ist unwahrscheinlich. Die zuständigen Abteilungen mit ihren Stellen sind fest in den universitären Verwaltungen verankert. Zudem macht es der besondere Charakter der Sprache möglich, dass sich die Gender-Bürokratie den Gegenstand ihrer Kritik durch ebendiese Kritik erst schafft.
Was Wörter und grammatische Kategorien bedeuten, hängt davon ab, wie man sie gebraucht. Und wenn nur genug Menschen an die Gleichsetzung des grammatischen Genus mit dem biologischen Geschlecht glauben, dann wird die ideologische Projektion zur sprachlichen Realität: „Mitarbeiter“ wird dann wirklich nur noch für Männer benutzt. Wer das Maskulinum dann noch geschlechtsübergreifend meint, gibt in den Augen der anderen mindestens seine Rückständigkeit zu erkennen, wenn er überhaupt noch richtig verstanden wird.
Der sprachkritische Eifer und die pedantische Beckmesserei, die die Universitäten beim Gendern und anderen Formen des politischkorrekten Sprechens an den Tag legen, kontrastieren auffällig mit ihrer nicht nur kritiklosen, sondern begeisterten Hingabe an die Sprache der Reklame. Wenn es um die Selbstdarstellung geht, sind Deutschlands Hochschulen Meister im Phrasendreschen.
Das äußert sich in der überdrehten Exzellenz- und Spitzenuniversitätsrhetorik – die Uni Leipzig beispielsweise ist nicht nur „forschungsstark“, sondern auch „medizin-führend“ – ebenso wie in den Werbeslogans, ohne die kaum eine Hochschule mehr auskommt. Sie sind an Plattheit schwer zu unterbieten, aber dafür garantiert geschlechtsneutral. „Lebendig, urban und weltoffen“ ist die Goethe-Universität Frankfurt; Letzteres nimmt auch die Ruhr-Uni Bochum für sich in Anspruch, aber sie ist zudem noch „menschlich und leistungsstark“. Die Universität Heidelberg verheißt „Zukunft seit 1386“, und an der Universität Münster kann man „Wissen leben“. Besonders spruchstark präsentiert sich die Universität Duisburg-Essen, die nicht nur „Inspiration an Rhein und Ruhr“ bietet, sondern auch „Offen im Denken“ ist, weil ihre Angehörigen „In Möglichkeiten statt in Grenzen denken“.
Seit sich die Hochschulen im neoliberalen Geist als konkurrierende Unternehmen verstehen, ist ihre Außenkommunikation im Griff von Werbe- und PR-Abteilungen, die sich um „Hochschulmarketing“, „Campus-Branding“, „Uni-Events“, „Promotion“ und „Merchandising“ kümmern. Einst waren die Universitäten Orte einer Ideologiekritik, deren Gegenstand die kapitalistische Kulturindustrie war. Jetzt sind sie selbst deren Teil, Diversity-Management inklusive.