Hilferuf aus San Francisco : Wer hält Google auf?
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Der Sonnenkonzern: Google-Chef Larry Page Mitte Mai bei der Entwicklerkonferenz I/O in San Francisco Bild: dpa
Sie sind jung, reich und sagen, dass sie sich auch für Kultur interessieren. Deshalb wohnen sie neuerdings gern in San Francisco. Aber die IT-Unternehmen, für die sie arbeiten, sind nicht unsere Freunde. Sie sind im Begriff, eine völlig unkontrollierbare Macht zu werden. Das muss verhindert werden.
Endlich haben Journalisten damit angefangen, sich kritisch mit den Monstern vom Silicon Valley auseinanderzusetzen, vor allem mit Google, dem nach Marktwert drittgrößten Unternehmen der Welt. Diese neue Diskussionsrunde begann noch vor den jüngsten Enthüllungen, wonach die IT-Giganten routinemäßig der National Security Agency Einblick in unsere Daten gewähren. Derweil ziehen andere Journalisten, denen der Wetterumschwung offenbar entgangen ist, weiterhin über meine Heimatstadt San Francisco her, weil sie Silicon Valley und seine Macht nicht anbetet.
Die Kritik am Silicon Valley, lange überfällig, ist oft sachlich und vernichtend. Der „New Yorker“ etwa hat dargestellt, wie Start-ups die Lehre an der Stanford University aushöhlen; er hat die messianischen Phantasien und die politische Einflussnahme des Silicon Valley untersucht und Apples massive Steuerhinterziehung thematisiert. Die „New York Times“ brachte kürzlich einen Gastkommentar, der meine Aufmerksamkeit erregte, nicht zuletzt wegen der Autorenzeile. Julian Assange, der Gründer von WikiLeaks, schrieb über „Die Vernetzung der Welt“, das Buch der beiden Google-Topmanager Eric Schmidt und Jared Cohen, das aus seiner Sicht das Zusammengehen von Staat und IT-Gigant exemplarisch vorführt. Es sei, schrieb Assange, eine beklemmend klare und provozierende Blaupause für den technologischen Imperialismus, entworfen von zwei unserer führenden „Wunderheiler, die eine neue Sprache für die globale Macht der Vereinigten Staaten im 21. Jahrhundert entwickeln. Diese Sprache spiegelt die immer größere Nähe zwischen Außenministerium und Silicon Valley.“
Die Monopolisierung von Information
Was verbindet die amerikanische Regierung und das Silicon Valley schon heute? Vor allem wollen beide im Schatten agieren, während wir anderen anhand unserer Daten komplett durchsichtig gemacht werden sollen. Hier entsteht eine neue Form von Staat, unter Mitwirkung gigantischer Apparate, die wie ein Staat agieren und sich praktisch jeder Kontrolle entziehen.
Google, das Unternehmen, das laut Firmenmotto „nichts Böses tun“ will, verwandelt sich mit Riesenschritten in ein Imperium - kein territoriales Imperium (wie Rom oder die Sowjetunion), sondern eines, das unseren Zugang zu Daten und unsere Daten selbst kontrolliert. Juristische Verfahren, die gegen Google angestrengt wurden und werden, machen deutlich, in welchem Umfang Google die Verfügungsgewalt über Informationen im Informationszeitalter monopolisieren will. Seine Suchmaschine ist für die meisten von uns unerlässlich, und der Medienwissenschaftler Siva Vaidhyanathan schreibt in seinem 2011 erschienenen Buch „The Googlization of Everything“: „Google kann inzwischen bestimmen, was im Netz und in der Welt wichtig, relevant und wahr ist. Wir glauben, dass Google in unserem Interesse handelt. Aber wir haben die Kontrolle über die Wertvorstellungen, Methoden und Prozesse abgegeben, die unser informationelles Ökosystem begründen.“ Und das gilt nur für die Suchmaschine.
Wir sollen Google gehören
Ungefähr eine Dreiviertelmilliarde Nutzer verwendet G-Mail, so dass Google praktischerweise Zugang zum Inhalt ihrer Mails hat (und personalisierte Werbung ermöglicht). Google hat versucht, das Urheberrecht an den digitalen Versionen sämtlicher jemals veröffentlichter Bücher zu erlangen. Bibliotheken und Verlage wehren sich dagegen. Wie die „New York Times“ berichtete, fasste Paul Aiken von der Authors Guild die Situation folgendermaßen zusammen: „Google profitiert nach wie vor von der Nutzung von Millionen urheberrechtlich geschützter Werke und missachtet die Rechte der Autoren. Unsere Sammelklage im Namen amerikanischer Autoren geht weiter.“