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Vorwürfe gegen Ex-Intendanten : Der Fall Hans Abich

  • -Aktualisiert am

Eine Gründerfigur der Film- und Fernsehbranche: Hans Abich (1918 bis 2003). Bild: epd-bild / Norbert Neetz

Alljährlich wird ein Preis der Fernsehbranche vergeben, der nach Hans Abich benannt ist. Ein Filmhistoriker fordert, die Auszeichnung einzustellen, weil Abich unter den Nazis Karriere gemacht habe. Das kann man anders sehen.

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          Darf man noch einen Preis nach Hans Abich benennen? Die Deutsche Akademie für Darstellende Künste und der Sender 3sat haben 2004 auf dem Fernsehfilmfestival Baden-Baden ei­ne Auszeichnung im Namen des Festival-Mitbegründers gestiftet. Seitdem haben unter anderem die Regisseure Edgar Reitz und Dominik Graf, der Produzent Nico Hofmann, die Schauspielerin Senta Berger und der Schauspieler Matthias Brandt den Preis ge­won­nen – allesamt die erste Garde der deutschen Filmbranche.

          Abich selbst hat als Intendant von Radio Bremen und Programmdirektor der ARD die hiesige Fernsehgeschichte ge­prägt. Zuvor, zwischen 1948 und 1964, war er eine wichtige Figur des westdeutschen Nachkriegsfilms: Die Filmaufbau GmbH Göttingen, die er ge­mein­sam mit dem Regisseur Rolf Thiele gegründet hatte, produzierte mit Wolfgang Liebeneiners „Liebe 47“ ei­nen der bedeutendsten Trümmerfilme und mit Kurt Hoffmanns „Wir Wunderkinder“ eine der wenigen kritischen Auseinandersetzungen mit der Wirtschaftswunder-Mentalität je­ner Jahre. Liebeneiner allerdings war un­ter den Nazis Produktionschef der Ufa und Professor von Goebbels’ Gnaden gewesen, und Abich wie Thiele hatten der NSDAP angehört.

          Ein Urteil ohne Abwägung

          Der Filmhistoriker Armin Jäger nimmt das zum Anlass, in der Wo­chen­zeitung Die Zeit den Ausschluss Abichs aus dem öffentlichen Gedächtnis zu fordern. Der Namensgeber des Fernsehspielpreises, hat Jäger recherchiert, war nicht nur Parteimitglied, sondern zeitweise auch wissenschaftliche Hilfskraft im Reichs­pro­pa­gan­da­mi­ni­ste­ri­um und Redakteur zweier nationalsozialistischer Propagandazeitschriften. Diesen „Sündenfall“, so Jäger, verschwieg Abich ebenso wie andere frühere „Pöstchen“ in seinem Fragebogen zur Entnazifizierung, und vor Liebeneiner habe er keine Berührungsängste gehabt, weil er von ihm „künstlerisch beeindruckt“ gewesen sei.

          Für den Filmhistoriker reichen die Indizien aus, um ein Urteil zu fällen: Abichs „unhinterfragte Karriere“ als Galionsfigur des Fernsehens müsse „postum an ihr Ende“ gelangen – mitsamt dem nach ihm be­nannten Preis. Man kann die Tatsachen allerdings auch anders auslegen. Im Unterschied zu Alfred Bauer, dem Berlinale-Gründungsdirektor, an dessen postumem Denkmalssturz im letzten Jahr Jägers Artikel Maß nimmt, hat Abich über seine Vergangenheit nicht aus Karrieregründen gelogen. Radio Bremen war in der Zeit seiner Intendanz die Speerspitze des televisionären Fortschritts, und mit der Gründung des Baden-Badener Festivals hat Abich dem Fernsehspiel jenes Forum gegeben, das dem deutschen Kino bis heute fehlt.

          Die Karriere eines ideologischen Opportunisten sieht anders aus. Die Rückabwicklung des Preises zu seinem Andenken wäre deshalb keine Selbstreinigung der Branche. Sie wäre ein Akt des Vergessens.

          Andreas Kilb
          Feuilletonkorrespondent in Berlin.

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