Grippewelle : Husten: Wir haben ein Problem
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Die Grippewelle hat uns überrollt. Bild: dpa
Seit Wochen hat jeder die Grippe. Und dann auch noch diese Krisenstimmung! Wer hilft uns da raus - Angela Merkel? Oder doch wieder nur Thomas Mann? Eine Krankschreibung.
Sigmar Gabriel ist auch erkältet. Und Iris Berben genauso. Julianne Moore hat es sich neulich auf der Berlinale geholt, wo Elyas M’Barek niemandem die Hand schütteln wollte, um sich nicht anzustecken, weil’s ja alle haben, meinte er. Also zum Beispiel Jürgen Trittin von den Grünen. Oder Arjen Robben, der deswegen das Wunderspiel seines FC Bayern am Mittwoch gegen Juventus Turin verpasste.
Den Kanzleramts-Chef Peter Altmaier hat es auch erwischt. Und Jakob Augstein, den Journalisten. Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, hatte sogar eine Lungenentzündung. Und Wolfgang Joop etwas, das er die „Spaghetti-Grippe“ nannte, weil er da auf der Modemesse in Mailand war, um seine neue Kollektion vorzustellen – bei seinem „Wunderkind“-Team zuhause in Potsdam sei es dagegen regionalgetreu die Schweinegrippe gewesen. Als wäre das also eine deutsche Spezialität, die jetzt Saison hat. Hat sie ja auch.
Und das hier ist auch nur der Krankenstand der letzten paar Wochen, und das sind auch nur die prominentesten Fälle: die, die man im Fernsehen husten sieht. Bei manchen Nachrichtensprechern hat man es auch hören können, die Stimmen zwei, drei Halbtöne schiefer, nasaler, kurzatmiger.
Die anderen Fälle hört und sieht man in der Straßenbahn, im Treppenhaus, im Supermarkt. Auf Instagram versammeln sie sich um den Hashtag #theflu und stellen Fotos ihrer Atemmasken und Hühnersuppen und roten Nasen unter Deckenbergen ein.
Oder man sieht diese Fälle eben nicht: Weil ihre Büros leer bleiben, oft über Wochen, halbverwaiste Flure, Sparflammenbetrieb wegen Fieber und Husten und schmerzender Knochen, wegen dieser Symptome, die man keinem mehr beschreiben muss. Denn es reicht ja ein Blick in die fiebrigen Augen, man kennt diese Augen aus dem Badezimmerspiegel.
Blicke aus fiebrigen Augen
„Damit kommen sie alle grad“, sagt die Ärztin, die sich zur Begrüßung die Hände desinfiziert und sie einem dann trotzdem zum Abschied reicht, und dazu reicht sie einem dann auch noch einen Krankenschein und ein Rezept über einen Container Schmerzmittel: im Hunderterpack, damit es auch wirklich weggeht, morgens, mittags, abends.
Und im Wartezimmer hängen die anderen, die, die also mit den gleichen Symptomen kamen, sie hängen trübe in den Stühlen, sie wissen nicht, ob sie besser liegen oder stehen oder einfach nur sterben sollen, sie niesen so heftig in ihre Ärmel und Schals, als würde es sie gleich aus der Verankerung reißen.
Arme Tröpfchen, halbe Menschen, Gespenster. Die Apothekerin legt ein Schokoherzchen mit auf die Mannschaftspackung Ibuflam, „das haben Sie sich verdient“, sagt sie und schaut einen aus klaren Augen tröstend an. Es ist zwar Fastenzeit, aber dankeschön.
Und es ist Winter, seit Wochen, auch wenn am heutigen Sonntag der Frühling offiziell anfängt – Montag war zum Beispiel Sonne und blauer Himmel in München, Dienstag hat es dort dann gleich wieder geschneit. Was soll das denn bloß?
Meteorologen behaupten, vor Ostern würde es ja immer noch mal kälter, aber es wirkt eher so, als käme und bliebe jetzt der Winter für immer, wie bei „Game of Thrones“. Man erkennt diese Jahreszeit übrigens auch daran, dass man jeden morgen eine andere Hose anziehen kann, aber trotzdem immer ein altes Tempo in den Taschen findet.
Ein Taschentuch mit den Umrissen der Bundesrepublik. Eine Jogginghose in den Maßen von 1990: Darin leben wir seit Wochen. Husten: Wir haben ein Problem. Aber ist es dieses Jahr wirklich besonders, besonders schlimm? Oder wirkt es nur so, weil ja nicht nur die Grippe nicht weggeht, sondern auch dieses andere Thema der Saison, das auf die Stimmung drückt?
Immer der gleiche Tagesablauf: Aufwachen, Naseputzen, Radio an – und der Deutschlandfunk telefoniert schon wieder mit Söder. Als gäbe es für solche Gespräche nicht auch Obergrenzen. Wie soll man da gesund werden?