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Karen Krüger (kkr)

„Göttliche Komödie“ revisited : Der Fall Dante

  • -Aktualisiert am

Dante in einem Gemälde von Domenico di Michelino aus dem Jahr 1465 Bild: Picture-Alliance

Der Dichter Dante Alighieri wurde verbannt und zum Tode verurteilt. Ein Nachkomme fordert nun seine Rehabilitierung – nach mehr als siebenhundert Jahren.

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          Im gerade begonnenen Dante-Jahr kündigt sich ein Spektakel an, das jede Darbietung zu Ehren des Dichters in den Schatten stellen wird. Der vielleicht berühmteste Justizfall der Literaturgeschichte, der Prozess gegen Dante Alighieri, soll wieder aufgerollt werden.

          Das jedenfalls fordert Sperello di Serego Alighieri, Astrophysiker und Nachkomme des Dichters in neunzehnter Generation. Seinem „geliebten Vorfahren“, der 1302 in Florenz wegen „Unwahrheit“, „Bosheit“ und „Tauschhandel“ – also Korruption – zur Verbannung sowie später zum Tode verurteilt wurde, sei Unrecht widerfahren.

          Der Wissenschaftler ist überzeugt: Es war ein politischer Prozess. Die Anwälte, eine Florentiner Kanzlei, sind schon am Werk. Laut italienischer Strafprozessordnung kann ein rechtskräftiges Urteil tatsächlich selbst nach mehr als 700 Jahren auf Antrag überprüft werden. Eine Frist gibt es nicht, erforderlich sind lediglich neue Beweise. Aber welche könnten das sein?

          Florenz war ein Haifischbecken

          Es steht außer Frage, Florenz war damals ein Haifischbecken, und die politischen Parteien nutzten jede Gelegenheit, um ihre Gegner zu diskreditieren. Genauso ist überliefert, dass Dante in Kreisen verkehrte, in denen Vetternwirtschaft durchaus üblich war. Ansonsten weiß man wenig über ihn. Man muss sich an die „Göttliche Komödie“ halten, sie ist Dantes wahre Autobiographie, erzählt von Freunden, Feinden, Vorbildern.

          Dante spiegelt sich in vielen seiner Figuren. Angesichts der jüngsten Entwicklung ist es womöglich aufschlussreich, wie er die Tauschhändler, die Verdorbenen, inszeniert. Sie wirken eher grotesk als schuldig, ihre Darstellung ist nicht frei von Sympathie. Ein besonderes Schlitzohr ist Ciampolo, der den Dämonen genauso entwischt wie Dante seinerzeit den Behörden.

          Große Versöhnungsgeste

          Sollten die Dämonen des Dichters nun de jure zurückgepfiffen werden, könnte das jene Wendung sein, auf die er bis an sein Lebensende hoffte. Er wäre nicht der erste toskanische Gelehrte, der späte Gerechtigkeit erfährt. Nach mehr als dreihundert Jahren wurde 1992 der einstige Ketzer Galileo Galilei von Papst Johannes Paul II. rehabilitiert. Die eingesetzte Kommission benötigte für ihr Urteil ganze 23 Jahre. Auch Italiens Justiz ist nicht für Schnelligkeit bekannt.

          Im Falle Dantes, zumal im Jubiläumsjahr, übertrifft sie sich vielleicht selbst. Vor allem Florenz würde nichts lieber tun, als Dante in einer großen Versöhnungsgeste an die Brust zu drücken. Wohl wissend natürlich, die „Göttliche Komödie“ wäre ohne dessen Leid niemals so geworden, wie sie ist. Die moralische Größe, mit der Dante das Exil erduldete, spricht bis heute aus ihr.

          Karen Krüger
          Redakteurin im Feuilleton.

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