Glosse Feuilleton : Okaaay!
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Sage noch jemand, die Welt werde immer komplizierter. Das Gegenteil ist der Fall. Die Welt wird immer einfacher, zumindest im Nahbereich der Face-to-face-Begegnungen. Hier macht sich seit geraumer Zeit ein universales Einverständnis ...
Sage noch jemand, die Welt werde immer komplizierter. Das Gegenteil ist der Fall. Die Welt wird immer einfacher, zumindest im Nahbereich der Face-to-face-Begegnungen. Hier macht sich seit geraumer Zeit ein universales Einverständnis breit, ein Sprachspiel der menschlichen Anerkennung, welche in diesem flächendeckenden Ausmaß schon Züge des Übermenschlichen trägt. Ist Ihnen das auch schon aufgefallen: die Inflation des Wörtchens "okay", mit dem Sie von Freund und Feind, Bekannten und Unbekannten, laufend unterbrochen werden? Da ist sie also, die Formel zur Reduzierung von gesellschaftlicher Komplexität, von jeder Sorte Spalterei: ein langgezogenes "okaaay". Man gibt irgend etwas ganz Unerhebliches von sich, etwa: Ich gehe am Donnerstag zum Friseur. Oder: Ohne Winterreifen läuft bei mir gar nichts. Oder: Mit Becel-Margarine können Sie mich jagen. Sie haben's kaum ausgesprochen, da kommt Ihnen schon dieses gönnerische Nichts-Menschliches-ist-mir-fremd-Okay entgegen - und zwar durchaus so, als stünde etwas sehr Erhebliches, weltanschaulich Umstrittenes auf dem Spiel, demgegenüber sich der Okay-Sager nun ebenso unbedingt wie ungefragt tolerant zeigen möchte. Das Okay klingt dann im wesentlichen so: "Mit Becel-Margarine kann man Sie jagen? Okaaay, Sie haben Ihre Position gefunden, ich kann das von mir noch nicht behaupten, aber ich respektiere Sie als Mensch, was immer Sie denken oder tun mögen." Das in den Gesellschaftsvertrag hineingeschriebene Okay weckt natürlich Schmuseerwartungen, die, jeder ahnt es, im öffentlichen Raum, wo Vertrauen seit je eine knappe Ressource ist, nur schwerlich zu erfüllen sind. Deshalb auch neuerdings diese hektischen Selbstunterbrechungen durch ein kurzes, Einverständnis erheischendes "ja?". Der Radiomoderator von Antenne Soundso, der Diskutant einer akademischen Tagung, der Nachbar, der von seinem Winterurlaub berichtet - sie alle unterbrechen sich alle zwei, drei Sätze selbst und fragen "ja?" (wahlweise auch "so, ja?"). Was ehedem ein Alleinstellungsmerkmal Alexander Kluges war - ungestraft "ja?" dazwischenhauchen zu dürfen -, scheint inzwischen ein öffentlicher Tick geworden zu sein. Gemeint ist mit diesem die prästabilierte Harmonie abfragenden "ja?" immer auch: Ersparen Sie mir bitte weitere Einzelheiten, ja? Nehmen Sie statt dessen mit einem "und so weiter" vorlieb, ja? Vertrauen Sie mir auch in der Kurzform, ja? Jaaa doch, möchte man fortwährend zurückbrüllen, warten Sie's gefälligst ab, erzählen Sie - statt immerzu "ja?" zu fragen - erst einmal in Ruhe zu Ende, danach wird man schon sehen, ob das, was Sie gesagt haben, für ein "ja!" oder gar ein "jawoll!" ausreicht oder nicht. Aber so etwas sollte man besser nur denken, nicht sagen. Sagen sollte man "okaaay", bei jeder sich bietenden Gelegenheit, nicht? gey