Gleichberechtigung : Meine freie Wahl
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Wo steht die moderne und emanzipierte Frau von heute? Bild: dpa
Eine ganze Generation junger Frauen findet, sie brauche den Feminismus nicht mehr. Vergnügt genießt sie die Illusion, sie hätte ihre Lebensumstände frei gewählt. Das ist naiv.
„Hoffentlich wird es ein Junge.“ Diesen Satz sagte neulich eine Freundin am Telefon, sie klang gehetzt, denn sie hatte es eilig, sie war unterwegs zum Frauenarzt und würde dort erfahren, ob sie bald rosafarbene oder blaue Strampelanzüge besorgen muss. Sie sagte noch: „Für Jungs ist das Leben viel leichter.“ Dann legte sie auf, doch ihr Satz hallte nach.
Drei Tage später lag auf dem Schreibtisch ein Buch. Der Titel: „Wie Frau sein. Protokoll einer Verwirrung“. Geschrieben hatte das Buch eine Frau Anfang dreißig, ihr Name ist Michèle Roten, sie ist verheiratet, Mutter eines kleinen Sohnes und Kolumnistin beim Magazin des „Tages-Anzeiger“. Man könnte auch sagen, Michèle Roten ist eine erfolgreiche Frau. Woher also kommt ihre Verwirrung? Kokettiert sie? Ist ihr womöglich trotz Kind langweilig, und sie wollte einfach nur ein Buch schreiben? Befindet sie sich inmitten einer Sinnsuche?
Die erfolgreiche Frau mit der perfekt sitzenden Frisur
Nichts davon trifft zu. Michèle Roten ist nur wie die meisten Frauen ihrer Generation in dem festen Glauben aufgewachsen, dass Männer und Frauen dieselben Rechte und Pflichten haben, dass zwischen den Geschlechtern alles eine Frage des geschickten Verhandelns ist und die gesellschaftlichen Strukturen Frauen nicht von vornherein diskriminieren. Frauen können studieren, zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung wählen oder gar nicht arbeiten, Kinder kriegen oder nicht, sie selbst aufziehen oder außer Haus betreuen lassen. Sie können die Scheidung einreichen und eine Frau heiraten. Frauen sind die Autorinnen ihrer eigenen Biographie. Wozu also noch Feminismus? Oder, wie Roten es ausdrückt: „Warum sollte ich Unterstützung brauchen, wenn ich meinen Weg doch gänzlich unbehindert gehen kann! Für mich lief alles super! Dank Alice Schwarzer und ihren Frauen! Sie haben ihr Ziel erreicht: für mich eine bessere Welt zu schaffen! Et voilà! Merci! Und jetzt abtreten, bitte.“
Fragt man junge Frauen, was sie unter einer Feministin verstehen, fallen Wörter wie alt, verbittert, hässlich, frigide und uncool. Rotens weibliches Rollenverständnis prägte die Frau aus der 3-Wetter-Taft-Haarspray-Werbung. Erinnern wir uns kurz: Der Spot zeigt eine dunkelblonde, aufwendig geföhnte Frau im Kostüm, die in Hamburg, wo es regnet, einen Privatjet besteigt und im windigen München einen Zwischenstopp einlegt, bevor es weiter nach Rom geht. Dort brennt die Sonne. Die Frau steigt aus, in der Hand eine Aktentasche. Sie ist bester Dinge: Ihre Frisur sitzt. Was für ein naives Frauenbild, denkt man. Aber ist es das wirklich? Schließlich wird schon Mädchen vermittelt, dass die Welt keine Männerwelt mehr ist, dass auch ihnen alles offensteht, sie müssen nur Fleiß, Talent und Ehrgeiz mitbringen. Mädchen spielen auf dem Schulhof Fußball mit den Jungs, besuchen den Werkunterricht, schreiben die besseren Noten in naturwissenschaftlichen Fächern, studieren erfolgreicher. Überall ist von der Krise des Mannes und den großartigen Zukunftsaussichten der Frauen die Rede.