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Gespräch mit Papst Tawadros II. : „Ich bitte Europa, den bedrohten Christen zu helfen“

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Unterhaltung mit der Zukunft der koptischen Christenheit: Papst Tawadros II., bei einem Besuch 2013 in Frankfurt Bild: Stefan Finger

Die Weihnachtsbotschaft des Oberhaupts der koptisch-orthodoxen Kirche ist ein Appell: Tawadros II. bittet darum, bedrohte Christen im Nahen Osten zu unterstützen. Im Gespräch mit der F.A.Z. ruft er Deutschland zudem auf, wieder mehr auf seine christliche Kultur zu achten.

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          Eure Heiligkeit, als Papst der koptisch-orthodoxen Kirche in Ägypten haben Sie eine äußerst schwierige und gefahrvolle Aufgabe. Haben Sie am 4. November 2012, als Sie von einem Jungen mit verbundenen Augen aus drei Kandidaten gelost wurden, gebetet, der neue Papst zu werden oder es lieber nicht zu werden?

          Ich wusste, dass es nicht in meiner Hand liegt. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Amt von großer Verantwortung für das Christentum nur mit Hilfe der Gnade Gottes ausgeführt werden kann. Am Tag meiner Inthronisierung war ich ganz und gar überwältigt. Und ich spürte sofort, welch ungeheure Verantwortung auf mich zukommen würde. Von einem auf den anderen Tag hat sich mein Leben komplett verändert: Zuvor war ich ein einfacher Bischof in King Mariut, einer kleinen Wüstengegend nahe Alexandria, und nun erster Verantwortungsträger unserer Heiligen Mutter Kirche in Ägypten und weltweit. Glücklicherweise scheine ich mich persönlich seitdem nicht verändert zu haben, wie mir nahestehende Personen immer wieder sagen. Dafür danke ich Gott. Als früherer Mönch versuche ich die wahre Bedeutung des Christentums hochzuhalten und ihr zu folgen, denn christliches Leben bedeutet die Reinheit des Herzens und die Bescheidenheit des Lebens. Diese Haltung hat auch Einfluss darauf, wie Christen mit anderen Menschen, auch Nichtchristen umgehen. Keine leichte Aufgabe heutzutage, aber wir sollten sie uns immer stellen.

          In einer Ihrer ersten Reden als Papst haben Sie die absolute Trennung von Religion und Politik betont. Das scheint sehr fern von der Realität in Ägypten.

          Stellen Sie sich einmal Religion als rohe Eier und die Politik als Stein vor. Wenn wir diese beiden in eine Kiste stecken, passiert ein Doppeltes: Zum einen würden die Eier zerschlagen, so dass man sie nicht mehr essen kann. Und zum anderen würden die Steine verschmutzt, so dass man nicht mehr mit ihnen arbeiten kann. Im Klartext heißt das: Wenn wir Religion und Politik zusammenwerfen, verlieren wir beide. Daher braucht es eine absolute Trennung zwischen Religion und Politik. Dafür stehe ich ein.

          Aber wie soll das möglich sein? Wir sehen, dass Regierungen ihre politische Linie gegenüber religiös-extremistischen Gruppen finden müssen. Ist das Erstarken des Islamismus nicht auch der Hauptgrund dafür, warum Sie und die Mehrheit der Christen in Ägypten den Präsidenten unterstützen?

          Diese Angst vor und der Kampf gegen den Terrorismus ist nicht etwas, das nur die koptisch-orthodoxe Kirche und die ägyptische Regierung teilen. Alle Ägypter, ob Christ oder Muslim, lehnen ein religiöses Regime ab. Das haben wir im letzten Jahr unter Beweis gestellt. Als Muhammad Mursi an die Macht kam, reagierten alle Ägypter erst einmal reserviert und abwartend. Und nach einem Jahr waren sich die Ägypter einig, dass ihr Land von der Muslimbruderschaft gestohlen werden würde, wenn sie nicht gegen sie und die Regierung aufstünden. Daher haben die Ägypter eine Revolution gemacht, die von der Armee geschützt wurde, denn in Ägypten gilt und sieht sich das Militär als Teil des Volkes, genauso wie es auch die Kirche tut. So sind wir alle zusammen im Juni und Juli letzten Jahres gegen das religiöse Regime aufgestanden. Und heute haben wir ein gutes Regime mit einem neuen Präsidenten, einer neuen Verfassung und in einigen Wochen mit einem neuen Parlament. Die Regierung arbeitet hart daran, dass sich die Wirtschaft wieder erholt. Und ich bin mir sicher, dass die Situation aller Ägypter in zwei Jahren glänzend sein wird.

          Wird dieser Glanz auch für die Zukunft der Christen in Ägypten gelten?

          Derzeit genießt die koptisch-orthodoxe Kirche wieder Achtung in der ägyptischen Gesellschaft. Allen Ägyptern ist bewusst, welche zentrale Rolle die Kirche für den Zusammenhalt unseres Landes gespielt hat und spielt und so auch einen Bürgerkrieg verhindert hat. So gibt es derzeit Diskussionen über neue Kirchenbaugesetze, über die das zukünftige Parlament entscheiden wird. Das sehe ich als ein positives Zeichen.

          Solche Zeichen sind für die christlichen Gemeinden extrem wichtig, die noch vor kurzem ganz anderes erfahren haben.

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