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Georg Kreisler gestorben : Aber doch ein Wiener

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Bild: dpa

Der österreichische Kabarettist Georg Kreisler ist tot. Der Neunundachtzigjährige starb am Dienstagmorgen nach einer schweren Infektion in einem Salzburger Krankenhaus.

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          Zeitlebens hätten ihn die düsteren Themen des Alltags angeregt, erklärte Kreisler einmal. Seinem Unmut über gesellschaftliche Zustände brachte er in scharfzüngigen Liedern und Texten zum Ausdruck. So entstanden Songs wie das berühmte „Tauberln vergiften im Park“ oder die Opernsatire „Aufstand der Schmetterlinge“.

          Viel Lobenswertes fiel dem Großmeister der Satire  zuletzt zu seinem eigenen Berufsstand nicht ein: „Wo ich hingehen sollte, wenn ich politisches Kabarett sehen möchte? Keine Ahnung!“, kritisierte er seine Kollegen auf der Kleinkunstbühne.

          Satirisch war auch der Blick auf seine Heimatstadt Wien, wo er am 18. Juli 1922 zur Welt kam. „Wie schön wäre Wien ohne Wiener“ ist der Titel eines seiner Lieder. Und in seiner Biografie „Georg Kreisler gibt es gar nicht“ liest man über die Geburtsstadt: „(...) düstere Gassen, die im Nichts enden. (...) dort bin ich geboren. Wien hingegen kennt man von Johann Strauß und Kaiser Franz Joseph. Strauß war fesch, und Kaiser Franz Joseph war Zuckerbäcker. Dort bin ich nicht geboren.“

          Der Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts musste die Stadt mit dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938 verlassen. In Los Angeles setzte er seine musikalische Ausbildung fort und wurde amerikkanischer Staatsbürger. Während des Zweitens Kriegs kam er als amerikanischer Soldat nach Europa zurück und ließ mit einem ersten Soldatenmusical aufhorchen,

          Rückkehr nach Wien

          Danach versuchte er sich Anfang der fünfziger er Jahre in New York als Nachtclubsänger, stieß mit seinem wienerischen Hang zum Makabren  jedoch auf wenig Verständnis.Der künstlerische Durchbruch gelang ihm schließlich, als er 1955 in seine Heimatstadt zurückkehrte und rasch zu einer Größe des musikalischen Kabaretts wurde.

          Songs wie „Tauberln vergiften“ oder „Zwei alte Tanten tanzen Tango“ wurden zwar vom Musikgeschäft ausgeblendet und vom Publikum zunächst irritiert aufgenommen, stiegen dann aber bald zu Hymnen des schwarzen Humors auf.Boykott und Zensur begleiteten Kreisler sein Leben lang, gleichzeitig wurde er als einer der tiefsinnigsten und facettenreichsten deutschsprachigen Kabarettisten gefeiert. Einzelne Platten verkauften sich mehr als hunderttausend Mal.

          Erfolge inBerlin

          Es folgte ein Zwischenspiel in München, dann kehrte er mit seiner Frau und Kollegin Topsy Küppers wieder für kurze Zeit nach Wien zurück und hatte mit Komödien, Kabarettstücken und Operetten große Erfolge.1976 ging er mit seiner neuen Partnerin Barbara Peters nach Berlin und wurde zu einem Publikumsmagneten im Theater „Die Wühlmäuse“. Seit den achtziger Jahren verlegte er sich zunehmend aufs Schreiben und verfasste Bühnentexte, so auch das Musical „Heut Abend: Lola Blau“.Auch in dem Satire-Band „Ist Wien überflüssig“ oder in seinem Roman „Ein Prophet ohne Zukunft“ zeigte er sich als Meister der doppelbödigen und scharfsinnigen Formulierung.

          Etwa fünfzehn Jahre lebten Kreisler und seine Frau in der Schweiz. Erst kurz vor seinem fünfundachzigsten Geburtstag zog das Paar nach Salzburg. Für sein vielfältiges Schaffen erhielt Kreisler zahlreiche Auszeichnungen, etwa 2004 den „Prix Pantheon“. Zuletzt ehrte ihn die Stadt Bad Homburg 2010 mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis für sein Lebenswerk.
           

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