Astrokultur im Kalten Krieg : Der Weltraum ist das Schlachtfeld von morgen
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Start der Apollo 15 Mission am 26.7.1971. An der FU Berlin widmet man sich der Frage, wie kriegerisch die Raumfahrt während des kalten Krieges war. Bild: picture-alliance / dpa
Zeitgeschichtlich wie technikhistorisch ist der Aufbruch der Menschheit in den Weltraum mit dem Kalten Krieg verknüpft. Die Astrokultur imaginierte das All als Ort künftiger Schlachten.
Im Jahr 1959 veröffentlichte der Amerikaner Robert A. Heinlein seinen Roman „Starship Troopers“. Darin beschreibt er das Leben von Infanteristen, die irgendwann im 23. Jahrhundert mittels mechanischer Kampfanzüge gegen „Bugs“ - Käfer - genannte Aliens kämpfen. An diesem Werk eines der Großmeister der klassischen Science Fiction scheiden sich die Geister.
Doch ob Heinlein damit nun eine militaristische Utopie zeichnen wollte oder eine subtile Dystopie - das Buch passt in die Epoche. Zeitgeschichtlich wie technikhistorisch ist der Aufbruch der Menschheit ins All mit dem Kalten Krieg verknüpft. Zugleich wurde der Weltraum in seinem kulturellen Echo, der „Astrokultur“, immer auch als das Schlachtfeld von morgen imaginiert.
(Fast) keine Waffen im All
An der FU Berlin ist seit einigen Jahren eine Forschergruppe um den Historiker Alexander Geppert damit befasst, die Astrokultur systematisch einer zeitgeschichtlichen Einbettung zuzuführen. Vergangene Woche hatten Geppert und seine Mitarbeiter Daniel Brandau und Tilmann Siebeneichner eine Tagung für Historiker und Kulturwissenschaftler organisiert, auf der es nun spezifisch um die dunkle, kriegerische Seite des Phänomens ging.
Dazu galt es zunächst zu klären, wie kriegerisch die reale Raumfahrt ist oder war. Dazu wies Alex Roland (Durham) darauf hin, dass der Weltraum während des Kalten Krieges zwar militarisiert, aber nie bewaffnet wurde. Es gab Spionagesatelliten, aber keine Raumfahrzeuge, die mit Waffensystemen zur Bekämpfung von Bodenzielen oder feindlichen Raumschiffen ausgestattet waren.
Die Bordkanone der 1974 gestarteten sowjetischen Almaz-Raumstation mit dem zivilen Tarnnamen Salyut-3 war die Ausnahme, welche die Regel bestätigte, und Ronald Reagans Strategic Defense Initiative von 1984 zur Bekämpfung von Interkontinentalraketen aus dem All wurde nie umgesetzt.
Europäische Science Fiction ist düsterer
Die Militarisierung des Alls jedoch wurde von den Supermächten engagiert vorangetrieben, was sich zuweilen auch auf das Zivilleben auswirken sollte, besonders prominent im Fall des Global Positioning Systems (GPS). Dieses sei dem amerikanischen Militär dann regelrecht entglitten, referierte Paul Ceruzzi (Washington DC), so dass das Pentagon heute ein System finanziert, welches die ganze Welt kostenlos nutzt. Doch selbst ein allem Kriegerischen so unverdächtiges Forschungsfeld wie die Astrobiologie hat militärische Wurzeln.
In Berlin berichtete Jordan Bimm (Toronto) über seine Entdeckung, dass die ersten Experimente zur Simulation der Marsatmosphäre im Jahr 1956 nicht die Möglichkeit, sondern die Grenzen des Lebens unter anderen als irdischen Bedingungen zum Gegenstand hatten. Durchgeführt wurden diese Versuche von dem Luftwaffenmediziner Hubertus Strughold, dessen Rolle von Popularisierern der Astrobiologie wie Carl Sagan später geflissentlich übergangen wurde.
Wie aber hängt diese Militarisierung mit astrokulturellen Phänomenen zusammen? Michael Sheehan (Swansea) näherte sich der Frage, indem er Unterschieden in der den Weltraum thematisierenden Science-Fiction-Literatur beiderseits des Atlantiks nachging. Denn das Diktum des amerikanischen Politikberaters Robert Kagan, die Amerikaner seien hinsichtlich ihrer Einstellung zur Moralität militärischer Gewalt vom Mars, die Europäer dagegen von der Venus, gilt vielleicht nirgends so rein wie in der Raumfahrt.