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Fußballmuseum: Fundstück 5 : Dieses Foto kann nur schief hängen

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Dauerleihgabe von Netzer (2. v.l., kniend) an das Museum: Mannschaftsfoto von Real. Bild: Deutsches Fußballmuseum

Mittlerweile erinnert sich Günter Netzer gerne an seine schwierige Saison bei Real Madrid 1973/74. Dort war er einer der ersten Fußballlegionäre und hatte mit der Sprache, Verletzungen und schwankenden Leistungen zu kämpfen.

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          Das Mannschaftsfoto von Real Madrid aus der Spielzeit 1973/74 ist von bescheidenem Wert. Es ist eines von Dutzenden, denn vor jedem Spiel wurde eines gemacht. Vor welcher Partie dieses Foto entstand, kann ich also nicht mehr rekonstruieren. Trotzdem bedeutet es mir viel. Es ist eines der ganz wenigen Erinnerungsstücke, die ich aus den spanischen Fußballjahren zwischen 1973 und 1976 habe. Meine Schuld. Während der aktiven Zeit habe ich mich für so etwas nie interessiert, auch Ehrungen, Preise, Medaillen oder Pokale waren mir eher gleichgültig. Ich wollte das nicht bei mir herumstehen und herumliegen haben. Hätte meine Frau in den vergangenen Jahren nicht noch das eine oder andere Andenken gefunden und gesammelt, unsere Tochter besäße zumindest bei uns zu Hause kein einziges Zeugnis dafür, dass ihr Vater früher Profi war. Mittlerweile bedauere ich das einstige Desinteresse etwas und ertappe mich sogar dabei, dass ich manchmal in alten Presseberichten blättere, vor allem aber alte Fotos anschaue, die oft schöne Erinnerungen wecken.

          Günter Netzer vor seinem Wechsel von Gladbach nach Madrid im Jahr 1973.
          Günter Netzer vor seinem Wechsel von Gladbach nach Madrid im Jahr 1973. : Bild: Picture-Alliance

          Besonders schön sind meine Erinnerungen an die erste Saison bei Real Madrid allerdings nicht. Sie war verkorkst. Ich kam in der neuen Umgebung eher schlecht als recht in Schwung, verschoss im allerersten Spiel gleich den allerersten Elfmeter, war immer mal wieder verletzt. Ich konnte zunächst kein Wort Spanisch, und sonderlich viel Mühe, mich zu integrieren, gaben sich zunächst weder meine Mitspieler noch der Trainer Miguel Muñoz, der früher selbst für den Klub gespielt hatte. Die Einstellung war: Wir sind Real Madrid und brauchen keine Ausländer. Außer mir gab es im Kader nur zwei, den Verteidiger Touriño und den Stürmer Oscar Mas, beide Argentinier.

          Trikotnummer 10 als besondere Auszeichnung

          Gar nicht erst mitspielen durften die Ausländer im nationalen Pokal, der – es ist die späte, bleierne Franco-Zeit – noch Copa del Generalísimo hieß. Und in der Liga lief es schlecht, bisweilen gerieten wir sogar in Abstiegsgefahr, landeten am Ende irgendwo im Mittelfeld. Frühere Leistungsträger, Zoco etwa und Amancio, waren weit über dreißig und hatten ihren Zenit überschritten. Für mich kam zum schwierigen Start in Spanien noch hinzu, dass ich in Deutschland als Abtrünniger galt und öffentlichen wie veröffentlichten Anfeindungen ausgesetzt war. Auch das Verhältnis zu Bundestrainer Helmut Schön gestaltete sich in den Monaten vor der ersten WM im eigenen Land – vorsichtig ausgedrückt – nicht unkompliziert.

          Zwar war mir im letzten Spiel vor dem Umzug nach Madrid, beim Pokalfinale gegen den 1.FC Köln in Düsseldorf, für meine Mönchengladbacher in der Verlängerung das Siegtor gelungen, das dann einige Berühmtheit erlangen sollte. Aber im Hier und Jetzt half mir das nicht. Wer mir half, war Santiago Bernabéu, der legendäre, damals bereits 78 Jahre alte Präsident. Er quartierte mich in jene Hotelsuite ein, in der lange Zeit auch der große Alfredo Di Stéfano logiert hatte, den Bernabéu als seinen Ziehsohn betrachtete. Auf dem Platz sehe er nun mich in Di Stéfanos Rolle, sagte er. Deshalb also die Suite. Obwohl ich mich als Neuling bewusst zurückhielt und keine Forderung stellte, gab man mir das Trikot mit der Nummer 10 – gerade in Spanien eine besondere Auszeichnung. Getragen hatte es zuvor Velázquez, der Held des Publikums und von allen nur cerebro genannt: das Hirn. Er nahm die Sache ohne Arg.

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          Meine Kondition wurde besser

          Dass das Foto schief und schräg im keineswegs kostbaren Rahmen hängt, hat einen guten Sinn: Es symbolisiert mein Premierenjahr bei Real perfekt. Und so schief und schräg war es auch schon, als ich es vor vielen Jahren bekam – ein Geschenk von einem unbekannt gebliebenen Fan. Was ich weiß: Erstanden wurde es auf dem Rastro, Madrids beliebtestem Trödelmarkt, und es trägt, wie zu sehen, die Nummer 126 der Firma As Color, die damals unausgesetzt Mannschafts-Poster produzierte. Zoco, der Kapitän, war mein Zimmernachbar im Hotel. Dort jeden Morgen abgeholt, um uns zum Training zu fahren, hat mich José Luis: Mein Ferrari musste am Niederrhein bleiben, es war verboten, ihn nach Spanien zu importieren. Es ist lange her, dass ich zuletzt in Madrid war. Aber wenn ich nach der aktiven Zeit dorthin kam, habe ich mich, wenn möglich, gerne mit Amancio, Velázquez sowie, leider viel zu selten, mit Pirri verabredet.

          Bild: F.A.Z.

          Gehört das erste Jahr bei Real zu den schwersten, deshalb auch wichtigsten Phasen meines Lebens, so waren die beiden folgenden Spielzeiten entschieden einfacher – und erfolgreicher. Als neuer Trainer kam direkt nach der WM von 1974 Miljan Miljanić, der dort Jugoslawien betreut hatte. Er stellte alles auf den Kopf. Sofort führte er Trainingsmethoden ein, die heute selbstverständlich sind, die ich damals jedoch als pure Schinderei empfand. Aber ich – vor allem: meine Kondition – wurde dabei besser.

          Wengert ließ nicht los

          Zugleich kam Paul Breitner. Seine Verpflichtung befürwortete ich mit Nachdruck – und konnte schließlich auch Bernabéu von der Angst befreien, er hole sich aus München einen Maoisten – und mit dem Maoisten die Revolution zu Real. Zweimal in Folge wurden wir spanischer Meister, 1975 auch Pokalsieger. Und im Viertelfinale des Europa-Cups der Landesmeister spielte ich im März 1976 wieder auf dem Bökelberg, nun gegen meinen Heimatverein.

          Günter Netzer bei der WM 2006 mit seinem Kollegen Gerhard Delling.
          Günter Netzer bei der WM 2006 mit seinem Kollegen Gerhard Delling. : Bild: dpa

          Ursprünglich sollte ich gar nicht zu Real, sondern zum FC Barcelona. Ohne von mir beauftragt zu sein – ich kannte ihn zuvor nicht einmal –, hatte mich Manfred Wengert, Repräsentant des Chemiekonzerns Bayer in Spanien, Anfang 1973 den Katalanen empfohlen. Beide Seiten waren nicht abgeneigt. Aber dann verpflichtete Barça den Holländer Rinus Michels als neuen Trainer, und der brachte gleich zwei seiner Schüler mit: Johan Neeskens und Johan Cruyff. Wengert aber ließ nicht locker. So kam, was kam.

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