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Berliner Festspiele : Er ist wieder da

  • -Aktualisiert am

Täuschend echt, nur Egons Lampen fehlen: Das Haus der Berliner Festspiele. Bild: Haus der Berliner Festspiele / Burkhard Peter

In Charlottenburg ist der Palast der Republik auferstanden und stellt die richtigen Fragen. Zum Beispiel, wie ein Berlin aussehen würde, aus dem man nicht alle Bauten des verschwundenen Staates DDR getilgt hätte.

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          Der Berliner glaubt in der Regel nicht an Gespenster, aber bei dem, was er in der Schaperstraße im Westen der Stadt zu sehen bekommt, muss er sich doch zweimal die Augen reiben: Nicht nur das einst gesprengte Schloss in Mitte ist wieder da, sondern auch der Palast der Republik, der ja eigentlich 2008 abgerissen wurde, um dem Schlossnachbau Platz zu machen.

          Hexerei: Der Palast steht ganz offensichtlich da, mitten in Charlottenburg, mit seiner bronzefarben bedampften Glasfassade, die aussieht, als trage das Haus eine ambitionierte Sonnenbrille, mit dem Ährenkranz über dem Eingang. Das Trompe-l’œil ist ein Werk des britischen Performancekünstlers, Autors und Zauberers Augusto Corriere. Er hat, zusammen mit anderen Künstlern, im Namen der Berliner Festspiele das modernistische Festspielhaus von 1963 in einen Geist des abgerissenen DDR-Baus verwandeln lassen.

          Ein Hort der Simulacren

          Den Veranstaltern ging es aber um mehr: Es soll mit den Diskussionen, Aufführungen und Lesungen, die hier seit dem Wochenende stattfinden, an den Moment vor bald dreißig Jahren erinnert werden, in dem ein ganzer sozialistischer Staat über Nacht verschwand, aber seine Bauten stehenblieben. Die ideologisch und physisch entkernte Ruine des Palasts der Republik wurde nach 1989 für fast ein Jahrzehnt zu einer der besten experimentellen Bühnen. Was wäre passiert, wenn man sich dafür entschieden hätte, diese Bauten und Plätze als experimentelle Orte für die Stadtgesellschaft zu erhalten, statt sie allesamt zu rasieren und mit preußelnden Sandsteinfassaden das repräsentativ-starre Simulacrum eines Deutschlands zu errichten, aus dem alle sichtbaren Spuren des Sozialismus getilgt sind?

          Die andere große Frage ist, ob man überhaupt noch seinen Augen trauen kann: Im falschen Palast tritt der Schriftsteller Thomas Melle auf; erst wenn man genau hinschaut, sieht man, dass es sich bei ihm um einen Roboter handelt, aus dessen Hinterkopf die Schaltkreise herausschauen, während er liest. Berlin, die Stadt, die sich mit ihrem authentischen Untergrundleben brüstet, ist in dieser Woche ein Hort der Simulacren, mit falschen Menschen, die in gefälschter Geschichte sitzen. Das neue Berliner Schloss wirkt auf den ersten Blick so, als stünde es schon immer da – aber die abstrakt gerasterte Fassade zur Spree hin sieht aus, als sei hier der Deko-Drucker ausgefallen. Alles nur Fake, dröhnt sie dem von Osten kommenden Besucher entgegen. Da sieht ausgerechnet der falsche Palast im Westen echter aus als das meiste, was ihn umgibt.

          Niklas Maak
          Redakteur im Feuilleton.

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