Zum Tod von Fritz J. Raddatz : Der bessere Andere
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Fritz J. Raddatz (1931 bis 2015) Bild: Peter Peitsch
Der Verleger und Kritiker Fritz J. Raddatz stand wie kaum ein Zweiter für die innige Hingabe an die Literatur und das stilvolle Leben nach außen. Jetzt ist er im Alter von 83 Jahren gestorben.
Dass ihm das gelungen ist am Ende, dieser Abgang, selbstbestimmt und würdevoll, das ist, bei all der Traurigkeit, die die Nachricht seines Todes auslöst, schön und beinahe tröstend. Fritz J. Raddatz ist in dem Moment von dieser Welt gegangen, den er sich ausgesucht hat. Lange schon hat er sich darauf vorbereitet. Mit siebzig kaufte er sich eine Grabstätte auf Sylt, „zwischen Suhrkamp, Avenarius und Baedeker, mehr kann man nicht verlangen“, notierte er in sein Tagebuch. Und im Jahr 2002 rechnete er sich aus, wie lange sein Geld noch reichen würde, wenn er den aufwendigen Lebensstil weiter pflegen wollte, den er nun mal pflegte und den er liebte. „Zehn Jahre“ rechnete er sich damals aus, dann sei er zweiundachtzig, „uralt“, und fügte gleich hinzu, dass es vielleicht besser wäre, noch viel mehr Geld auszugeben, dann käme das Ende noch schneller.
Jetzt hat es doch noch etwas länger gedauert. Fritz J. Raddatz, der am 3. September 1931 in Berlin geboren wurde, hat sich gestern Mittag in der Schweiz das Leben genommen. Er wurde dreiundachtzig Jahre alt. Er hat alles sehr gut vorbereitet, ab dem 22. Februar wollte er keine Termine mehr. Zum Abschied hat er uns ein Buch dagelassen. Es heißt „Jahre mit Ledig“, seine Erinnerungen an den Rowohlt-Verleger, dessen Stellvertreter er neun Jahre lang war. Es ist ein Liebesbuch, natürlich, wie alle Bücher von Raddatz. „Dies ist die Geschichte zweier Männer, die einmal fast einer gewesen waren, unauflöslich einander verbunden, in gegenseitiger Verletzung und in peinigendem Schmerz sich trennend, und die nie die Liebe vergessen konnten, die sie einst innig sein ließ,“ hat er darin geschrieben.
Bücher machen, das Leben feiern
In dieses unglaublich schöne, leidenschaftliche, herzzerreißende Buch hat er noch mal all seine Raddatz-Kunst hineingelegt. Vor allem beschreibt er darin, wie er angefangen hat, warum man am Anfang einen braucht, der einen anpustet, ermuntert, anfeuert, in Flammen setzt. Gerade auch in einem großen Apparat, wie ein Verlag es etwa ist: „Es war allein Ledig, der mir mit Freude und Enthusiasmus Wind unter die Flügel blies. Der ,Apparat: wollte mich knicken.“ Und wie die beiden dann Autoren entdeckten, groß machten, amerikanische Schriftsteller und Essayisten für Deutschland. Wie sie Bücher machten und das Leben feierten: „Und ich steuerte in das phantastischste, phantasievollste Chaos meines Lebens, in eine fremdschöne, unheimlich-rätselvolle Liebesbeziehung, lasterlos, aber voller Hingabe: an die Literatur.“
Irgendwann ist er bei Rowohlt rausgeflogen. „Ich fliege ja immer irgendwo raus“, hat er mir, als ich ihn vor ein paar Jahren in seiner Wohnung in Hamburg an der Alster besuchte, lachend erzählt. Ja, das stimmt. Der Grund, aus dem ihm Ledig irgendwann per Telegramm feuerte, war lächerlich. Genauso wie der, aus dem Raddatz Jahre später als Feuilleton-Chef bei der „Zeit“ gehen musste. („Der Bahnhof in Frankfurt, als Goethe noch lebte“. Über keinen Fehler hat die boshafte Feuilletonwelt wohl ausgiebiger gelacht als über diesen, der Raddatz diesen Job kostete.)
Offenes Visier und Herz
Die wahren Gründe, warum er immer irgendwo rausflog, hat er in seinem letzten Buch noch einmal aufgeschrieben: „Ich war pfauenhaft eitel, dumm genug, um nicht zu spüren, dass in Ledigs Seele ein anderes Feuer zu knistern begann.“ Und dass es einem Verleger eben irgendwann nicht mehr gefällt, dass sein Stellvertreter sich aufführt, als gehöre ihm der Laden. Genau wie Marion Gräfin Dönhoff es nicht ertragen konnte, dass sie in der von ihr herausgegebenen Zeitung von dem Mann, der sich selbst für den wichtigsten hält, offen verachtet wurde.