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Plagiate in Doktorarbeiten : Auch mit Diebstahl kann man es weit bringen

  • -Aktualisiert am

Alles nur geklaut? Universitäten reagieren häufig zu langsam auf den Diebstahl geistigen Eigentums. Bild: Illustration Thomas Fuchs

Warum Annette Schavan noch Ministerin sein könnte: Universitäten reagieren auf Plagiate meist schleppend. Eine Spurensuche in ganz Deutschland.

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          Auch wenn es momentan keine Debatten um Plagiate in Doktorarbeiten bekannter Politiker gibt, müssen sich Universitäten kontinuierlich mit der Aufarbeitung wissenschaftlicher Täuschungen beschäftigen. Selten kommt der Impuls aus den Hochschulen selbst. Auf der allgemein zugänglichen Plattform „VroniPlag Wiki“ diskutiert eine Schar von Freiwilligen über derzeit 180 Dissertationen und 13 Habilitationsschriften und informiert die betroffenen Hochschulen. Von den betroffenen Autoren sind immer noch viele in der Wissenschaft tätig. Die folgenden Fälle sind exemplarisch und lassen die bereits bekannten Plagiatscluster an der Universität Münster und der Berliner Charité unberücksichtigt.

          1. Humboldt-Universität zu Berlin (HU)

          „Die anti-wissenschaftlichen Vorurteile, die in den Geisteswissenschaften immer noch bestehen, müssen herausgefordert werden“, verlangte 2010 Andrea S. in ihrer Promotion über „einen interkulturellen Vergleich der Darstellung von Allergien in englischen und US-amerikanischen Lifestyle-Magazinen“. Dass sie selbst die Wissenschaft durch Plagiate herausforderte, fiel den Betreuern der Arbeit nicht auf. Seit 2013 ist die HU durch „VroniPlag Wiki“ über den Fall informiert, doch Nachfragen über die Aufklärung blieben in den Folgejahren unbeantwortet. Der gesamte Text wird bis heute auf dem Webserver der Universität öffentlich abrufbar gehalten. Als Grund führt die HU das Prinzip der Unschuldsvermutung an, das freilich nur im – hier nicht einschlägigen – Strafrecht gilt. Auch im Falle einer Aberkennung des Titels soll der Text im Netz bleiben, die Bibliothek würde lediglich den Titeldatensatz um eine entsprechende Information ergänzen. An der HU reichte auch Marina H. ihre Doktorarbeit und Habilitation ein. Sie war der erste aufgedeckte Fall eines Doppelplagiats: In beiden Arbeiten wurde getäuscht, in der Habilitation sind siebzig Prozent der Seiten plagiatsbelastet. Marina H. lehrt inzwischen als Professorin für Soziologie und weist auf ihrer Website auf die Veröffentlichungen hin – ohne die Vorwürfe zu erwähnen. Ein Überprüfungsverfahren an der HU läuft seit über einem Jahr, bislang ohne Ergebnis.

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