Plagiatsvorwurf an TU Dresden : Rücktritt als Beweis?
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Auf dem Campus der TU Dresden Bild: dpa
Nach Plagiatsvorwürfen tritt die Medienwissenschaftlerin Nina Haferkamp von ihrer Juniorprofessur zurück. Schuldeingeständnis oder Folge des psychischen Drucks nach der Publikation der Vorwürfe?
Die Kreativität hielt sich in Grenzen, mit der die Dresdner Medienwissenschaftlerin Nina Haferkamp in ihrer Dissertation über „Sozialpsychologische Aspekte im Web 2.0“ ungenannte Quellen zu kaschieren versuchte. Aus Sozialbehaviorismus machte sie den unverständlichen Neologismus Selbstbehaviorismus. Minimalveränderungen in Wortstellung, Satzbau und Einzelwortparaphrase (aus an der Stirn gefasst wird etwa auf die Stirn gefasst) lassen auf das volle Bewusstsein des Abschreibens schließen. Dazu streute Haferkamp aus Sekundärliteratur übernommene Quellenangaben in den Text ein, um eigene Lektüre vorzutäuschen.
Die Juniorprofessorin für „Emerging Communications“ an der Technischen Universität Dresden hat offensichtlich wenig Mühe auf die Tarnung verwandt, als sie sich vor allem bei soziologischen Handbüchern und dem Online-Lexikon Wikipedia bediente. Der Plagiatsjäger Stefan Weber fand schon auf den ersten hundert Seiten mehr als zwanzig verdächtige, teilweise seitenlange Passagen, die er in seinem Blog öffentlich dokumentierte. Die Universität Duisburg-Essen, an der die Promotion erfolgte, entschloss sich zur Prüfung. Noch vor dem Ergebnis trat Haferkamp von ihrer Juniorprofessur zurück, aus gesundheitlichen Gründen und auf eigenen Wunsch, wie die Universität Dresden bekanntgab.
Vorschnelle Anklage?
Webers Methode, den Vorwurf in seinem privaten Blog zu veröffentlichen, traf von Beginn an auf vehementen Widerspruch. Das Dresdner Institut für Kommunikationswissenschaft hält ihm vor, Haferkamp in eine öffentliche Prangersituation gebracht zu haben, deren psychologische Folgen sie nun zu erleiden habe. Der Presse attestiert man unverantwortliches Verhalten, weil sie die „bisher unbewiesenen Anschuldigungen“ ohne Prüfung weitergereicht habe. Vom wissenschaftlichen Anspruch von Haferkamps Arbeit sei man weiter überzeugt.
Die kontrafaktische Solidarität verwundert insofern, als die inkriminierten Passagen in Webers Blog allseits einsehbar sind und von jedem nachgeprüft werden können, der das Buch in einer Bibliothek bestellt. Beim Vergleich der Dissertation mit ihren ungenannten Quellen treffen Webers Vorwürfe alle zu. Der Dresdner Institutsdirektor Wolfgang Donsbach spricht von handwerklichen Fehlern ohne Täuschungsabsicht. Umfang und Art der Übernahmen stehen dem entgegen. Das akademischen Prüfungsverfahren wird noch einige Monate dauern.