Plagiate : Wehe, wenn einer liest, was sie schreiben
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Wer hat das eigentlich geschrieben? Heutzutage scheint sich ein genauer Blick zu lohnen Bild: Daniel Pilar
Die Plagiatsaffäre Guttenbergs hat die Universität Bayreuth in Aufregung versetzt und einiges verändert. Jetzt wurde dort über das Unrecht und die Kunst des Plagiierens diskutiert.
Das Tagungszentrum des Studentenwerks Oberfranken liegt am südlichen Rand der Bayreuther Universität; die moderne Campusuniversität geht hier fließend in die oberfränkische Landschaft über. Im letzten Winter geriet die 1975 gegründete Universität durch die Affäre um die Dissertation ihres wohl berühmtesten Alumnus, den oberfränkischen Freiherren in ihre schwerste Krise ihres Bestehens. In dem Glasbau der Universitätsverwaltung nebenan fanden unter größtem Medienandrang die Pressekonferenzen zu der Plagiatsaffäre statt.
Jetzt ist der Andrang ebenfalls groß. Auch diesmal ist der Grund die Guttenberg-Affäre, doch diesmal dürfte sich Universitätspräsident Rüdiger Bormann über das Medienecho freuen. Die Universität hatte dem früheren Verteidigungsminister im Februar 2011 den Doktortitel entzogen, wenig später war von der Universität Bayreuth eine Kommmission „Selbstkontrolle der Wissenschaft“ einberufen worden. In deren Abschlussbericht „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ wurde nicht nur das wissenschaftliche Fehlverhalten Guttenbergs ausführlich dargelegt, sondern auch angeregt, in Bayreuth eine Fachtagung zu den ethischen und rechtlichen Fragen des wissenschaftlichen Arbeitens durchzuführen.
Klauen in der Fachliteratur ist auffälliger
Dabei wurde auf das in Bayreuth bestehende und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Graduiertenkolleg „Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit“ verwiesen. Tatsächlich ist es nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet in Bayreuth eine juristische Dissertation unter nahezu schamlosem geistigem Diebstahl bei einer Vielzahl von Autoren entstanden ist, denn die oberfränkische Universität hat seit 2006 einen besonderen Schwerpunkt im Recht des Geistigen Eigentums; in diesem Jahr wurde das Graduiertenkolleg errichtet. Jetzt fand in Zusammenarbeit mit dem „Zentrum für Angewandte Rechtswissenschaft“ (Karlsruhe) jene Tagung unter dem Titel „Plagiate, Wissenschaftsethik und geistiges Eigentum“ statt.
Schon vor den allfällig bekannten Ereignissen stand Karl-Theodor zu Guttenberg in Bayreuth nie in dem Verdacht, sich näher mit Fragen des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte befasst zu haben. Gleichwohl betonte zur Eröffnung der Bayreuther Zivilrechtler Ansgar Ohly als Sprecher des Graduiertenkollegs, dass es sich bei Guttenberg um einen „Einzelfall“ gehandelt habe; der viel beschäftigte Bundestagsabgeordnete habe sich zu einem großen Teil aus Zeitungsartikeln bedient, ein vergleichbarer Diebstahl in der Fachliteratur wäre wohl aufgefallen.
Ein Plagiat kann einen Straftatbestand erfüllen
Vorsichtige Skepsis gegenüber Internetseiten wie „GuttenPlag“ und Computerprogrammen zur Plagiatserkennung ließ der Urheberrechtler Thomas Dreier (Karlsruhe) erkennen. Anhand eines eigenen Lektüreerlebnisses sorgte Dreier für eine historische Einbettung des wissenschaftlichen Plagiierens. Der Kunsthistoriker Hans Sedlmayer (1896 bis 1984) habe in seinem 1948 erschienen Buch „Der Verlust der Mitte“ seitenlang einen anderen Autor fast wörtlich zitiert. Dieser Quelle wurde zwar nicht verschwiegen, doch teilweise waren die Anführungszeichen so großzügig gesetzt, dass eine Unterscheidung zwischen Zitiertem und Zitator nicht mehr möglich war.