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Der Klimaforscher Schellnhuber im Gespräch : Die Weltkarte des Klimaschutzes hat sich verändert

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Gerodeter Regenwald in Brasilien

Gerodeter Regenwald in Brasilien Bild: AP

Europa und Afrika haben auf dem Klimagipfel in Durban eine wegweisende Allianz geschmiedet: Ein politisches „Subuniversum“, das unseren Planeten retten könnte.

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          Sie haben Durban hautnah erlebt, haben Sie auch die letzte Nacht, als Sie wieder in Potsdam waren, noch mitgefiebert und auf ein konkretes Ergebnis gehofft?

          Ja, ich habe die ganze Nacht die Verhandlungen verfolgt, im Livestream und am Telefon. Es war tatsächlich eine spannendere Konferenz als erwartet. Der Ablauf jedenfalls, weniger das Ergebnis.

          War es im Ergebnis das, was Sie erwartet hatten?

          Leider hat sich bestätigt, dass das Endspiel zum Klimaschutz erst um 2015 herum kommt. Ich habe mir vorher aber auch ein Szenario vorstellen können, dass die Konferenz komplett scheitert. Dass dies nur knapp abgewendet wurde, zeigt sich daran, um wie viele Stunden in Durban länger verhandelt wurde als geplant. Nun hat man zumindest wieder einen neuen Fahrplan aufgelegt.

          Was hat den Ausschlag gegeben?

          Viele Teilnehmer haben eine neue Rolle gespielt. Die bislang stets behauptete Einheitsfront der Schwellen- und Entwicklungsländer ist quasi zusammengebrochen. China spricht nicht mehr für die armen Länder, stattdessen haben diese sich mit Europa zusammen getan. Die Welt sortiert sich neu in Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen, es gibt da vielleicht eine neue Ehrlichkeit.

          Das heisst, die Nord-Süd-Teilung gibt es nicht mehr?

          Nicht in den Klimagesprächen. Die Welt ist jetzt gleichsam quer geschnitten. Es gibt jetzt die langfristig und verantwortungsvoll denkenden Länder versus diejenigen, die immer noch ihre kurzfristigen nationalen Interessen voranstellen und das Weiter-so vorziehen, sei es aus einer Position des Superkonsums heraus wie die Vereinigten Staaten oder aus einem postkolonialen Lamento heraus wie leider Indien. Die Position Chinas ist, auch wenn derzeit viele von Peking enttäuscht sind, noch nicht festgelegt. Das Land hat das Potenzial, zu einem Hoffnungsträger der internationalen Klimapolitik zu werden, weil es im Inneren durchaus einiges anpackt - etwa den allmählichen Aufbau eines Emissionshandelssystem.

          Sie meinen, die Weltkarte des Klimaschutzes hat sich verändert?

          Ja, es hat sich ganz klar eine Allianz Europa/Afrika herausgebildet. Damit hat man ein Segment der Welt vom nördlichen Polarkreis bis zur Antarktis, in dem man alles vorhanden ist, was man für den Umbau braucht. Das ist ein neues Subuniversum, das für sich allein die neue Version des Wirtschaftens hervorbringen kann. Afrika ist wichtig, weil dort die Bevölkerungsexplosion stattfindet, nicht mehr in Asien. Und dann gibt es jetzt Verbündete wie Australien und einige lateinamerikanische Länder. Südafrika hat mir besonders imponiert. Meine Gespräche mit Präsident Jacob Zuma haben gezeigt, dass man Südafrika extrem offen ist, gerade auch für die Wissenschaft. Es hat ein Drittel der Weltreserven praktisch aller wichtigen Mineralien, ist also potentiell eines der reichsten Länder der Welt.

          Und die Europäer haben das forciert?

          Wenn es die Europäer nicht gäbe, würde sich niemand mehr um die Klimaverhandlungen kümmern. Der Wendepunkt in der Konferenz war, als die Europäer unfreundlich wurden. Als sie deutlich gemacht haben, dass das nicht ausreicht, was auf dem Verhandlungstisch lag. Da hat sich die zahlenmäßige Mehrheit der Länder dahintergestellt, im Gegensatz zu den Großmächten USA und China.

          Nach Kopenhagen und vor Durban gab es diesen absoluten Vertrauensverlust. Ist das Vertrauen nun wiederhergestellt?

          Zum Teil. Jetzt gibt es wieder Hoffnung - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Kopenhagen war deshalb eine unglaubliche Enttäuschung, weil man diejenigen, die sich am verantwortungsvollsten angeboten haben, die Europäer, gnadenlos düpierte. Viele Länder haben da erlebt, dass ihr bester Anwalt vom Prozess quasi ausgeschlossen wurde. Was für Chancen, fragten sie danach, haben wir ohne diesen Anwalt noch für ein gerechtes Urteil? Europa hat sich in Durban fulminant zurückgemeldet auf der Weltbühne. Connie Hedegaard , die normalerweise sehr konziliante EU-Klimakomissarin, hat unglaublich gekämpft.

          Ein diplomatischer Fortschritt, aber ist der Konflikt nicht geblieben?

          Es gab auch Länder wie Indien, die in die alte Politik wieder zurückgefallen sind. Aber es entstehen neue Bündnisse, die über die nächsten Monate und Jahre hinaus halten sollten. Die afrikanischen Staaten sind umgeschwenkt in die Philosophie der Europäer.

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