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Arbeitszeit von Forschern : Freizeit? Wissenschaftler haben Freizeit?

Die wissenschaftliche Arbeitsmoral ist hoch - aber es gibt nationale Unterschiede

Die wissenschaftliche Arbeitsmoral ist hoch - aber es gibt nationale Unterschiede Bild: Reuters

Deutsche Forscher zwischen Amerikas Nachtarbeitern und Chinas Kantinenanbetern: Eine Studie zeigt, dass in wissenschaftlichen Instituten auch jenseits klassischer Tarifarbeitszeiten hoher Druck herrscht.

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          Wissenschaftler haben ein schwieriges Verhältnis zum Thema Arbeitszeit. Und entsprechend ein noch schwierigeres zum Thema Freizeit. Wenn man Nichtwissenschaftler zum Arbeitsverhalten von Wissenschaftlern befragt, ist wahrscheinlich die am meisten verbreitete Meinung diejenige, dass Wissenschaftler an Universitäten quasi immer Freizeit haben. Schließlich gibt es im Normalfall keine festen Arbeitszeiten und keine direkten Output-Kontrollen. Wer sich in den Instituten auskennt, meint dagegen, Wissenschaftler hätten quasi nie Freizeit.

          Die Download-Statistik nach Tagen und Uhrzeiten
          Die Download-Statistik nach Tagen und Uhrzeiten : Bild: F.A.Z.
          Sibylle Anderl
          Redakteurin im Feuilleton, zuständig für das Ressort „Natur und Wissenschaft“.

          Ob mitten in der Nacht oder an den Wochenenden - in den Universitäten und Forschungseinrichtungen kann man zu fast jeder beliebigen Zeit konzentriert arbeitende Forscher antreffen. Wenn man sich unter Wissenschaftlern umhört, erfährt man, dass die hohe Belastung durch Aufgaben wie Lehre, Verwaltung, Anträge, Berichte und Koordination kaum eine andere Wahl lässt, als die Forschung auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten zu betreiben. Aber behauptet werden kann ja vieles, wie ist es denn nun wirklich mit der wissenschaftlichen Arbeitsmoral?

          Nationale Unterschiede

          Dieser Frage sind jetzt Xianwen Wang von der Dalian University of Technology in China und Kollegen nachgegangen. Die Forscher nahmen den Download wissenschaftlicher Veröffentlichungen von den Seiten des Springer-Verlags als Anhaltspunkt für die Arbeitsaktivität (http://arxiv.org/pdf/1208.2686v1.pdf). Damit wurde eine konservative Abschätzung des Arbeitsverhaltens angestrebt: Arbeitende Wissenschaftler laden zwar nicht notwendig Veröffentlichungen aus dem Netz, aber wer eine wissenschaftliche Veröffentlichung herunterlädt, von dem kann man wohl annehmen, dass er arbeitet. Ausgewertet wurden die auf der Verlagswebpage verfügbaren Informationen zu Zeit und Zielort der entsprechenden Download-Anfragen. Korrigiert nach den jeweiligen Zeitzonen der Zielorte, konnten so Arbeitsprofile von Wissenschaftlern in verschiedenen Ländern extrahiert werden. Das Ergebnis: Wissenschaftler arbeiten tatsächlich viel außerhalb der typischen Arbeitszeiten und an Wochenenden. Interessanterweise gibt es dabei aber durchaus nationale Unterschiede.

          Insbesondere die Amerikaner scheinen Nachtarbeit zu lieben und tagsüber ohne deutliches kollektiv abgestimmtes Pausenverhalten durchzuarbeiten. Die Chinesen dagegen legen in beeindruckender Abstimmung zweimal täglich, gegen 12 Uhr und gegen 18 Uhr, anlässlich von Mittag und Abendessen die Arbeit für einige Stunden beiseite. Die Autoren schieben dies auf die einheitliche Organisation chinesischer Kantinen. Deutsche Kantinen scheinen demgegenüber eine geringere Anziehungskraft zu besitzen: Deutsche Wissenschaftler verlassen ihre Arbeit weit weniger deutlich und auch kürzer als in China gegen 12 Uhr zum Mittagessen.

          Unter großem Druck

          Im internationalen Vergleich machen chinesische Wissenschaftler zwar die längsten Essenspausen, gleichzeitig weist ihr Arbeitsverhalten aber den geringsten Unterschied zwischen Werk- und Wochenendtagen auf. Die Anzahl der Downloads in China am Wochenende ist lediglich um 23 Prozent geringer als unter der Woche. Dagegen machen die Amerikaner einen deutlicheren Unterschied zwischen Arbeitstag und Wochenende: hier sinkt die Anzahl der Downloads immerhin um 32 Prozent. Das typische Verhalten deutscher Forscher liegt auch hier zwischen dem der Vereinigten Staaten und Chinas.

          Das Fazit der Autoren ist, dass Wissenschaftler großem Druck und internem Wettbewerb ausgesetzt sind und in dieser Atmosphäre Hobbies, Freizeitaktivitäten und Sport vernachlässigen. Es gibt keine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben, was für das psychische und physische Wohl wenig förderlich ist. Der Abschlussappell der chinesischen Wissenschaftler lautet: „Balance in scientists’ life is needed“ - Vergesst nicht, für Ausgleich zu sorgen!

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