Fünfzig Jahre „Sportschau“ : Die Querfeldeinfahrer sind weg
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„Tor des Monats“ gegen Torwandschießen
Huberty sagt, die „Sportschau“ sei erst Kult geworden mit der Gründung der Fußball-Bundesliga 1963. Die ARD durfte zunächst nur zwei Spiele in Ausschnitten zeigen - und war in dieser vordigitalen Zeit auch noch darauf angewiesen, dass die Filmrollen per Motorradkurier rechtzeitig in Köln eintrafen. Am 24. August 1963 um siebzehn Uhr schoss Timo Konietzka das erste Tor der Bundesliga-Geschichte. Zu sehen war davon in der ARD-“„Sportschau“ leider nichts. Als das Fernsehen sich zu interessieren begann für den Sport, zögerten die Veranstalter - auch der Deutsche Fußball-Bund - mit ihrer Zustimmung, fürchteten sie doch einen „Zuschauerklau“ durch Übertragungen. Als Einnahmequelle und Werbelokomotive sah das Fernsehen erst einmal niemand.
1963 brachte der ARD nicht nur die Bundesliga, sondern auch erste Konkurrenz im Fernsehen, das „Aktuelle Sportstudio des ZDF“. „Die ZDF-Kollegen waren immer populärer“, stellt Heribert Faßbender fest, der irgendwann den Titel „Mister Sportschau 2“ verliehen bekam und den viele auch unter der Bezeichnung „'N Abend allerseits“ kennen. Das ZDF erfand 1966 das Torwandschießen - und machte das Erste mächtig neidisch. Im März 1971 konterte man dort mit dem „Tor des Monats“, das der frühere Fußballstar Günter Netzer als „großartige Erfindung“ bezeichnet (die Idee übernahm man aber von der BBC, die 1970 diesen Einfall hatte). Gerhard Faltermeier vom SSV Jahn Regensburg wurde als Erster ausgezeichnet. Und nicht Netzer, sondern Klaus Fischer - mit einem in der Tat für viele unvergesslichen Fallrückzieher im November 1977 - habe die „Mutter aller Tore des Monats“ erzielt, erfahren wir. 435 Mal wurde der Ehrentitel inzwischen vergeben, nicht nur an Männer und nicht nur an Profis.
Pflichtprogramm für Fußballer
Die Jubiläumssendung bringt Anekdoten, Pannen und Selbstbeweihräucherung, sie ist jedoch auch ein kurzer, spannender Abriss der Medien- und Sportentwicklung. Lange vorbei sind die Tage, als Interviews in der Kabine, im Mannschaftsbus oder während des Spiel an der Trainerbank geführt werden konnten, als es eine enge, fast harmonische Zweierbeziehung zwischen dem Fußball und seinen Berichterstattern gab. „Geht mal weg hier, sonst kriegt ihr nie wieder einen Interviewpartner“, sagt Otto Rehhagel als Trainer des SV Werder Bremen in einer der im Fernseharchiv gefundenen Szenen. Solch ein Reizklima ist heute normal zwischen Spielern, Trainern und Vereinsmanagern auf der einen und Reportern auf der anderen Seite.
Viele Sportarten sind von Bildschirm verschwunden, und es wird klar, dass das Fernsehen die Macht hat zu entscheiden, was populär ist und wer ein Aschenputteldasein zu führen hat. Die wachsende Zahl der Sportarten, die heute außer bei den Olympischen Spielen keine Rolle mehr haben (oder nicht einmal mehr dann), hat das gebührenfinanzierte Fernsehen mit zu verantworten. Günter Netzer sagt: „Sportschau - das ist Pflichtaufgabe, das zu schauen.“ Als Fußballer hat er vielleicht immer noch recht.