„Entweder Broder - Die Deutschlandsafari“ : Unentbehrlich, unbezahlbar, nicht zu schlagen
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Der Volvo 760 der netten Onkels Bild: HR/Preview Production
Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad begeben sich von heute Abend an für die ARD im Volvo 760 auf eine „Deutschland-Safari“. Fünf Folgen lang. Keine sollte man verpassen. Die beiden halten es ja sogar miteinander aus.
Am Rande des Holocaust-Mahnmals in Berlin als wandelnde Stele zu erscheinen, das kann nur Henryk M. Broder einfallen. Da geht und steht er dann, als Männlein im Walde, aber gar nicht still und stumm, und das wird sogar seinem gutmütigen und bösem Humor nicht gänzlich abgeneigten Begleiter Hamed Abdel-Samad zu viel. Provokation um der Provokation willen sei seine Sache nicht, es gebe für alles eine Grenze.
Für Broder, den härtesten Satiriker hierzulande, gibt es diese nicht. Jene, die sich da gerade zur Feierstunde anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Mahnmals versammelten, seien der „Mainstream“ - und mit dem legt sich Broder an, koste es, was es wolle. Hamed Abdel-Samad findet, Broder habe „nicht alle Gurken im Glas“, und setzt sich in Broders Auto neben dessen Hund, die friedfertige Terrierin Wilma, obwohl er sich vor Hunden zu Tode fürchtet.
Broder wiederum fragt sich, was absurder ist: sein Auftritt als lebendes Mahnmal oder ein Satz wie der von einem Festredner gesprochene: „Es gibt Länder in Europa, die uns um dieses Denkmal beneiden.“ Das muss man in all der saturierten Selbstzufriedenheit, die darin zum Ausdruck kommt, erst einmal sacken lassen, und man muss bis zur zweiten Folge der fünfteiligen Reihe „Entweder Broder - Die Deutschland-Safari“ warten, bis der Protagonist die Sache derart auf die Spitze treibt.
Die kulturelle Hirnabschaltung
In Folge eins geht es zunächst um die Kapitel „Von Adolf bis Allah“. Das heißt, es geht zum Beispiel um einen vollintegrierten Türken, der nicht fünfmal am Tag betet, der dafür Alkohol trinkt und in einer deutschen Bäckerei Brezeln verkauft, aber ganz genau weiß, dass eine türkische Frau vor der Ehe auf gar keinen Fall Sex haben darf. Wegen der Ehre. Familie, und so. Sie wissen schon. Voll integriert, „aber der Chip ist drin“, sagt Hamed Abdel-Samad, der Chip, damit ist das Programm gemeint, die kulturelle Hirnabschaltung, die verhindert, dass Integration wirklich gelingt.
Dann geht es um ein Häuflein frustrierte NPD-Nazis, die Broder und Abdel-Samad in ihrer Beschränktheit fast mickrig erscheinen und doch anwidern. „Rampentauglich“ wären die im Zweifel schon, sagt Broder. Und kutschiert seinen Beifahrer im abenteuerlich gestalteten 760er Volvo, der „Kurt“ heißt, nach dem überdimensionalen Bild des Karikaturisten Kurt Westergaard auf dem Dach, an einen Ort, der zeigt, dass die Juden in Deutschland heute als Migranten bestens integriert sind. Er fährt nach Dachau: „Die toten Juden sind gut integriert, bei den Lebenden hapert es.“
Es sind solche Provokationen, die Broder unentbehrlich, unbezahlbar, unschlagbar machen. Zwar mag er manchem bei oberflächlicher Betrachtung als Rumpelstilzchen-Publizist und traurige Randfigur im alltäglichen Talkshowzirkus erscheinen. Doch kann man das nur finden, wenn man den Talkshowzirkus und die mit ihm symbiotisch verbundene Politik unbedingt ernst nehmen und deren blinde Flecken ausblenden will. Broder malt sie alle in Farbe aus, gnadenlos, so lange, bis er - was er natürlich nie zugeben würde - vielleicht selbst nicht mehr weiter weiß.
Als wandelnde Stele etwa, die der Begleiter Hamed Abdel-Samad an die Hand nimmt, damit sie nicht umkippt. Und was ist daran anstößig? Und warum ist es nicht anstößig, wenn beim Gedenken an den Holocaust der Name des Mannes nicht fällt, der die nächstbeste Judenvernichtung zum Staatsziel erklärt hat? Ahmadineschad am Stelenwald, das ist wohl zu viel verlangt.
Sie setzen uns ein Licht nach dem anderen auf
Hamed Abdel-Samad, dessen Familie aus Ägypten stammt, der in Dänemark lebt und mit einer Japanerin verheiratet ist, ist Broder ein guter und besonnener Partner bei der „Deutschland-Safari“. Er sei vor dem Mann gewarnt worden, gibt Abdel-Samad zu Protokoll, von etlichen muslimischen Freunden und deutschen linken Intellektuellen. Die Warnungen aber hätten das Gegenteil bewirkt, „denn die Erfahrung hat mich gelehrt, wenn Muslime und deutsche Linke sich gemeinsam über etwas ärgern, dann kann die Sache nicht ganz schlecht sein“. Recht hat Abdel-Samad, der von sich sagt, dass er „vom Islam zum Wissen konvertiert“ sei. Die Frage, was es bringt, wenn sich „ein entwurzelter Araber“ und ein „chronisch rechthaberischer Jude“ auf eine solche Reise begeben, wird am Ende jeder der fünf Folgen beantwortet.
Sie setzen uns ein Licht nach dem anderen auf und zeigen uns ein Deutschland, dessen Bild man vielleicht aus tausendundeiner „Spiegel TV“-Reportage zusammensetzen, es dann aber anzuschauen nicht aushalten könnte. Mit Humor gebrochen aber geht das, der Blick in die Abgründe gleich nebenan; mit einem Humor, der die zivilisatorische Leistung der Moderne hochhält wie eine Monstranz: Dass ein jeder sich von seiner Herkunft distanzieren kann und eben nicht eine Kultur die andere überwältigt und frisst.
A propos die Großen fressen die Kleinen: Es ist schön zu sehen, dass sich ein kleiner ARD-Sender wie der Saarländische Rundfunk, der mittelgroße und sonst nicht vor Esprit sprühende Hessische Rundfunk - er ist hier federführend - und der fast ganz große Bayerische Rundfunk für eine solche Produktion im Ersten zusammengefunden haben.
Die schaurigsten Figuren der ersten Folge der wundersamen Reise von Henryk M. Broder und Hamad Abdel-Samad sind übrigens die rüstigen Stasi-Rentner, die an der DDR nur auszusetzen haben, dass sie sich unfähig erwiesen habe, dem Kapitalismus zu widerstehen. Wie diese Herren die Erschossenen an der Mauer mit S-Bahn-Surfern unter einen Hut bringen, das hat was. Das könnte nicht einmal Broder. Obwohl.