FAZ.NET-Kritik: „Günther Jauch“ : Kommt noch was von Wulff?
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Günther Jauch Bild: dpa
Die Sendung „Günter Jauch“ geriet für jene, die den Bundespräsidenten Christian Wulff verteidigen möchten, zum Desaster. Es wird höchste Zeit, dass er sich selbst erklärt.
Man traute in der „Günter Jauch“-Sendung zum Skandal um Bundespräsident Wulff seinen Ohren nicht. Selten war eine Talkshow so eindeutig im Urteil, so verheerend für den Bundespräsidenten.
Das will etwas heißen: Die Bundesbürger pflegen eine ganz besondere Beziehung zu ihrem Staatsoberhaupt, das gilt auch für jene, die die Studios der Talkshows bewohnen. Jeder Deutsche weiß aus dem Geschichtsunterricht, dass der erste Mann im Staat auch der letzte sein kann, der es noch in der Hand hat, die Demokratie und den Rechtsstaat zu schützen. Im Alltag hat der Bundespräsident schöne Aufgaben, er versöhnt, besucht und belehrt. Aber die Geschichte hat nicht nur idyllische Jahre zu bieten, und der Umschlag kommt schnell und über Nacht.
Anfang des Jahres geriet Japan an den Rand einer Staatskrise, als sich die Regierung als unfähig erwies, mit der doppelten Herausforderung von Sturmflut und Kernschmelze fertig zu werden. Irgendwann war der Tenno gefordert, sich herauszuwagen. Manche erinnern sich noch an die Bilder des rechten Putschversuchs in Spanien, zu Beginn der achtziger Jahre, als der König der letzte war, der die Demokratie retten konnte. Und vor zwanzig Jahren war es Boris Jelzin, der durch seine Sturheit den Putsch der alten Genossen gegen Gorbatschow stoppte. Der erste Mann kann der letzte sein, und für solche Fälle haben wir ihn.
Früher hätte man gesagt: Es geht um seine Ehre
Wir erwarten keinen Militärputsch und keinen Tsunami, aber wir haben keine Garantie auf das Glück der bundesrepublikanischen Biederkeit, auch wenn es nun schon so lange währt. Gerade das macht eine Krise so bedrohlich, denn es braucht nicht viel, nur eine Kombination von Schicksalsschlägen: Der Kollaps der Banken, ein gewaltiger Stromausfall, ein Anschlag der Rechten oder der Islamisten – unsere Nerven wären ebenso schnell ruiniert wie die Institutionen. Man muss kein Thrillerautor sein, um sich Szenarien auszudenken, in denen es recht schnell sehr eng wird, in denen alles auf den Bundespräsidenten ankommt. Und dann? Er hat keinen großen Apparat, keine Bank, ist nicht Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Sein Instrument ist die Rede, und unter Umständen kommt alles darauf an: eine Rede – man hat in historischen Situationen dann selten mehrere Anläufe.
Christian Wulff hat dieses Instrument stumpf werden lassen. Er hat keine große Rede gehalten, er sollte keine große Reden halten, Merkel wollte das nicht, sonst hätte sie ja Gauck wählen können. Nun aber geht es, seit einer Woche, für Christian Wulff um alles: Nicht allein um sein Amt, das mehr sein sollte als ein Job, es geht um seine Glaubwürdigkeit, seine Vertrauenswürdigkeit. Früher hätte man gesagt: Es geht um seine Ehre.
Nichts weniger war Gegenstand der sonntäglichen Talkshow, die bei vielen Zuschauern ein zentrales Forum der Meinungsbildung ist, denn nicht jeder hat die Zeit, in einer Arbeitswoche alle Fragmente der Verteidigung Wulffs aufzusammeln, zu sortieren und zu bewerten. Darum mussten jene, die Wulff ins Amt gewählt haben, die ihn noch verteidigen, auf diese Sendung setzen.
Für die Verteidiger war die Linie des Autors und ZDF-Literaturmoderators Wolfgang Herles bezeichnend. Er war dagegen, den Skandal um den Privatkredit so hoch zu hängen, denn das eigentliche Problem war für ihn Wulffs Amtszeit, die er miserabel nannte. Den berühmten, in Wahrheit den einzigen bislang memorablen Satz des Bundespräsidenten, „der Islam gehört zu Deutschland“, nannte Herles „unterkomplex“, „schlicht“, „saublöd“, ja den blödesten Satz des Jahres. Und der Mann war als ein Verteidiger Wulffs geladen.