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FAZ.NET-Frühkritik: „Maybrit Illner“ : Afelia wird Kanzlerin

  • -Aktualisiert am
Höflich zurückhaltend unter Herren: Marina Weisband

Höflich zurückhaltend unter Herren: Marina Weisband Bild: dapd

Maybrit Illner wollte wissen, ob Angela Merkel noch eine Zukunft hat. Etablierte Herren wussten darauf keine Antwort. Eine Frau hätte dazu vielleicht etwas mehr zu sagen gehabt, aber man ließ sie kaum: die Piratin Marina Weisband.

          2 Min.

          Charmanter kann man keine Sendung ankündigen, in der man selbst auftritt: „Suche Double, 1,62m, große Nase. Muss Pirateninhalte kennen und Zunge zum Röllchen machen können“, twitterte Marina Weisband, Geschäftsführerin der Piratenpartei, vorab unter ihrem Namen Afelia. Sie hat ein Double nicht nötig – selbst nicht in einer Sendung, in der sie sich, sei es aus angeborener Höflichkeit, Unerfahrenheit oder weil die anderen einfach zu professionell und penetrant waren, doch sehr zurückhielt.

          Edo Reents
          Redakteur im Feuilleton.

          Sie saß bei Maybrit Illner, um, gemeinsam mit Michael Spreng (Berater), Dirk Niebel (FDP, Entwicklungshilfeminister), Michael Fuchs (CDU-Bundestagsfraktion) sowie Cem Özdemir (Grünen-Vorsitzender) darüber zu diskutieren, ob die Bundeskanzlerin angesichts Christian Wulffs, der FDP und Horst Seehofers eigentlich noch so weiter machen könne. Spreng gab am Ende die Antwort: Und ob sie das kann, man sieht es ja! Und Marina Weisband war so souverän, dieser zutreffenden Einschätzung zuzustimmen.

          Das zankende Double

          Die Sendung verunglückte, weil sie thematisch viel zu uneinheitlich war und die Diskutanten zu sehr ihre rechthaberischen Spielchen spielten. Und dafür hätte Marina Weisband, die unhöflicherweise als „Maria“ vorgestellt wurde, aber höflich wie sie wohl wirklich ist, das nicht richtigstellte, genauso gut auch ein Double schicken können. Das hätte dann, streng nach Parteienproporz, mitgezankt.

          Die echte Marina Weisband saß da und sagte nur etwas, wenn sie gefragt wurde. Das hatte es dann allerdings in sich. Als erstes brachte sie das Christian-Wulff-Dilemma auf den Punkt: Sie sei der Diskussion überdrüssig, aber man könne sie eben nicht einfach beenden. Und: „Natürlich muss der Mann zurücktreten.“ So einfach ist das. Kein Lavieren, wie bei Cem Özdemir; kein Leugnen von Tatbeständen, wie bei Michael Fuchs.

          Piraten haben die Bürgerrechte gekapert

          Man dachte an das, was sie neulich schon zur Causa gesagt hatte: Der Bundespräsident sei kein schlechter Mensch, sondern stehe für eine politische Klasse, die unfähig sei, mit eigenen Fehlern umzugehen. Und was die FDP betreffe, um die sich alle solche Sorgen machen, so müsse man ganz einfach sagen, dass deren Wahlprogramm nicht mehr adäquat sei und nicht mehr funktioniere, während die Bürgerrechtsthemen nun einmal bei der Piratenpartei gelandet seien.

          Nach diesem Statement, über das man in der FDP ja auch mal nachdenken könnte, sah Marina Weisband vielleicht ein wenig zu oft auf ihre Hände oder zu Boden; aber es hätte auch nicht schaden können, wenn Maybrit Illner ihre mehrmalige Ankündigung „So, jetzt kommt Herr Soundso, dann Herr Soundso und dann Frau Weisband“ schon etwas früher wahrgemacht hätte als ziemlich zum Ende, als Marina Weisband nochmal genötigt war, der FDP einen Ratschlag zu erteilen. Den verweigerte sie und sagte stattdessen, ganz ruhig und sachlich, so etwas wie ein Zwei-Prozent-Umfragetief könne einer Partei in jeder anderen Koalition auch passieren, was beweise, dass es „systemimmanent“ sei. Statt der Parteienkoalitionen, die vier Jahre lang in Schockstarre vor sich hinwursteln, solle man lieber auf flexible „Themenkoalitionen“ setzen, die die wechselnden Mehrheitsverhältnisse viel besser abbildeten. Das wurde von den Herren als weltfremd abgetan. Aber warum sollte man so einen Vorschlag nicht auf sich wirken lassen?

          Nur nicht nerven lassen

          Nichts gegen Dirk Niebel, Michael Spreng und wie sie alle heißen; aber wir haben ihnen in Talkshows nun weiß Gott schon oft genug zugehört. Es muss sich jetzt mal etwas ändern, oder zumindest sollte man Politikern wie Marina Weisband öfter das Wort erteilen, so lange sie so höflich ist, darauf zu verzichten, dazwischen zu reden.

          Nach der Sendung twitterte eine gewisse Tina Pickhardt: „Ich glaube, entweder verlässt Afelia in 5 Jahren genervt den Politikbetrieb oder sie wird irgendwann Kanzlerin.“ Dann hätte Angela Merkel, nachdem Christian Wulff für diese Rolle so oder so ausgeschieden ist, wieder jemanden, den sie wirklich fürchten müsste. Aber man soll nicht übertreiben, Kanzlerausrufungen funktionieren selbst bei Leuten, die älter sind als vierundzwanzig, in den seltensten Fällen.

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