FAZ.NET-Frühkritik: Frank Plasberg : Die Welt ist so was von global
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Die Widersprüche unserer Warenwelt konnte auch Frank Plasberg nicht auflösen Bild: dapd
„Sind wir doch blöd?“ Der Media Markt bestreitet das bekanntlich. Er war gestern Abend das Thema im Marken-Check der ARD. Frank Plasberg versuchte sich anschließend an der Kritik der Konsumgesellschaft.
Manche Selbstauskünfte sind durchaus informativ. So hat es nach Aussage des Musikers und Fernsehmoderators Hugo Egon Balder von einer Designerin namens Jil Sander einmal einen Mantel zum Preis von 3.500 € gegeben. Das ist noch nicht ungewöhnlich, so hört man. Er war allerdings aus Papier gefertigt, was die Funktionsfähigkeit des Mantels offenkundig beeinträchtigt hat, und er hatte zudem die falsche Farbe, was Balder aber erst zu spät bemerkt haben will. Er hatte nämlich dieses Kleidungsstück gem. § 433 BGB käuflich erworben. Leider bekam er ihn nicht geschenkt. Gleichwohl muss sich dieser Kauf in metaphysischer Hinsicht gelohnt haben. Balder betrachtet ihn heute als ein Erweckungserlebnis über die Verführungen der Warenwelt, wo Prestige und Funktion auseinanderfallen können.
Diese Information war Teil der gestrigen Sendung von Frank Plasberg mit dem Titel „Sind wir doch blöd? Warum Geiz doch sehr ungeil sein kann!“ Sie erreichte den Kritiker auf einen 11 Jahre alten Fernseher mit einem 51er Bildschirm. Als wohl einer der letzten Deutschen schaut er tatsächlich noch in die Röhre, übrigens unter dauernden Protest der Kinder. Ob ein XXXL-LCD Flachbildschirm mit 3-D Funktion bei HDTV Grafikkarte mit integrierter Kaffeemaschine in der Energieeffizienzklasse AAA tiefere Einsichten über die gestrige Sendung vermittelt hätte?
Damenslips als Einstieg in die Kritik der politischen Ökonomie
Diese Frage kann man schwer beantworten. Zwar wäre die diskursive Substanz unangetastet geblieben. Aber wer weiß? Vielleicht hätte die Tiefenschärfe eines modernen Gerätes für die entsprechende optische Kompensation gesorgt. Allerdings wäre damit das Rätsel, Herrn Balder einzuladen, auch nicht gelöst worden. Er wäre nur besser zu sehen gewesen. Insofern war seine Teilnahme von symbolischer Bedeutung. Der Schein ist heute bekanntlich mehr wert als das Sein. Das war das Thema der Sendung gewesen. Es ging um das alte Rätsel kapitalistischer Ökonomien. Was motiviert Unternehmer, etwas zu unternehmen? In der Terminologie eines alten Herrn aus London, von dem ganz sicher nicht mehr Tonaufnahmen auftauchen werden wie von seinem Antipoden Otto von Bismarck, unterscheidet man zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert. Ersterer steht für den Nutzen, letzterer für den möglichen Profit.
Plasberg macht es nun möglich, einen Ausflug in die Kritik der politischen Ökonomie - zu unternehmen. Es geht um Damenslips in der Größe 58 und um Toilettenpapier. Der Gebrauchswert beider Produkte ist nicht so erklärungsbedürftig, wie etwa moderne Fernsprecher ohne integrierte Kaffeemaschine, aber dafür im handlichen Taschenformat. Um die ging es nämlich auch. Der Großhändler für Restposten, Thomas Tinklay, hatte besagte Damenslips im Viererpack in die Sendung mitgebracht – und in einem Einspieler durften sich die Zuschauer von dem real existierenden Verkauf des Toilettenpapiers überzeugen. Nun ging es um die Frage, warum die Kunden des Herrn Tinklay besagte Produkte in einem Kaufrausch erwerben würden. Also mehr als die genannten vier Damenslips und eine Packung Toilettenpapier zur Deckung existentieller Grundbedürfnisse. Tinklay hatte auch eine Erklärung. Man könne diese Produkte – er betonte deren gute Qualität – einlagern und als Kunde auf diese Weise ein Schnäppchen machen. Tinklay thematisierte damit die sogenannten Opportunitätskosten. Der Kaufrausch bei Damenslips und Toilettenpapier in einem Restposten Markt im Wert von 3.500 € würde zweifellos den Aufschub des Erwerbs eines Balderschen Papiermantels in einer Herren-Boutique in Wuppertal erzwingen.