Wie erkläre ich’s meinem Kind? : Warum Religion zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht wird
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Heiliger Krieg vor Jahrhunderten: Kreuzfahrer kämpfen im Juli 1187 bei Hattin gegen die Truppen des Sultans Saladin. Bild: Picture-Alliance
Die Attentäter von Brüssel berufen sich auf ihren Gott, um ihre Grausamkeiten zu begründen. Heilige Kriege gibt es seit Jahrhunderten. Aber gibt es Religionen, die in ihrem ureigenen Wesen Gewalt fördern und hervorbringen?
Die Terrorangriffe in Brüssel am Dienstag reihen sich ein in eine Serie von Anschlägen des „Islamischen Staats“ in Europa. Und wie zuvor in Paris oder Kopenhagen rechtfertigen die Terroristen ihre Taten: „Soldaten des Kalifats“ seien vorgegangen „gegen das kreuzzüglerische Belgien, das nicht aufgehört hat, den Islam und die Muslime zu bekämpfen“. Mit dem Lob Gottes und der Bitte, die gefallenen „Brüder“ als Märtyrer in den Himmel aufzunehmen, schließt das grausame Bekennerschreiben.
Allein die Sprache dieses Briefs weist tief in die Geschichte: Ein Kalifat ist ein Herrschaftsgebiet Allahs auf Erden. Kreuzzüge waren mittelalterliche Kriegszüge europäischer Heere ins Heilige Land, mit der Begründung, die damals muslimisch beherrschten Wirkungsstätten Jesu wieder in die Gewalt der Christen zu bringen. Und Märtyrer sind Menschen, die für ihren Glauben zu sterben bereit sind. Viele christliche Heilige sind als Märtyrer gestorben.
Eine Geschichte der Gewalt
In Brüssel sind mehr als dreißig Menschen getötet und über zweihundert verletzt worden. Sie haben sich bestimmt nicht als Kreuzfahrer betrachtet. Nach den Attacken wird die Diskussion über das Gewaltpotenzial des Islams nicht abreißen – mit all den Folgen, die das für die Stimmung gegenüber den in westlichen Ländern lebenden Muslimen haben könnte. In Amerika versuchen die Präsidentschaftsbewerber Donald Trump und Ted Cruz, sich mit Forderungen nach Folter, Einreiseverboten für Muslime und deren polizeilicher Überwachung gegenseitig zu übertreffen. Leute wie sie wollen ausnutzen, dass Menschen in den westlichen Ländern nach den Anschlägen verunsichert sind und solche Forderungen vielleicht richtig finden, weil sie sich angesichts der grausamen Bluttaten fragen, ob der Islam nicht doch in seinem ureigensten Wesen Gewalt fördert und hervorbringt.
Viele, vor allem Muslime selbst, aber auch Wissenschaftler, antworten darauf, dass dies nicht „der Islam“ insgesamt sei, sondern lediglich eine extreme Auslegung dieser 1400 Jahre alten Religion mit mehr als zwei Milliarden friedfertigen Anhängern auf der Welt. Dieser Islam – der schöne, kulturbeflissene, philosophische Islam – habe mit der grausamen Fratze des „Islamischen Staats“ oder von Al Qaida genauso viel oder wenig zu tun wie das Christentum mit den Untaten, die vor Jahrhunderten in seinem Namen begangen wurden: Die Kreuzzüge gehören dazu, aber auch die Verfolgung, Zwangsbekehrung oder Ermordung Andersgläubiger in Europa, Asien, Afrika und Südamerika. Und üben nicht auch radikale Juden immer wieder Gewalt aus, um vermeintliche göttliche Gebote zu befolgen? Wenn man es sich genau anschaut, muss man anerkennen, dass Gewalt historisch in diesen drei Religionen zu finden war oder ist.