Spätberufene Computernutzer : Mama kann jetzt auch „das Google“
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Spätestens, wenn alle mehr über die Enkel wissen, als man selbst, kommt die Erkenntnis: Internet ist vielleicht doch ganz nützlich. Bild: Andrea Diener
Wer mit über sechzig seinen ersten Computerkurs macht, hat es nicht ganz leicht. Unmöglich ist das aber nicht – ein Ortstermin mit Eltern.
Letztes Jahr eröffnete mir meine Mutter, sie wolle einen Computerkurs belegen. Ich fiel aus allen Wolken. Man muss sich vorstellen, dass meine Mutter um den hoffnungslos veralteten Kasten meines Vaters jahrelang einen großen Bogen machte mit den Worten: „Ich fass das Ding nicht an!“ Manchmal fasste sie das Ding doch an, aber nur zum Staubwischen. Mein Vater kann immerhin Word-Dokumente tippen, speichern und ausdrucken. Meist handelt es sich dabei um Kochrezepte. Meine Eltern sind die technikunaffinsten Menschen der Welt, sie scheitern an Kassettenrekordern, Stereoanlagen und Telefonen, die mehr als zehn Knöpfe haben. Sie verteidigten ihr Unwissen über Jahre und Jahrzehnte hinweg mit den Worten, sie seien ja schon alt und brauchten das alles nicht. Ich schrieb ihnen ab und zu Anleitungen, wie Videorekorder zu programmieren seien und wie man Dateien auf Disketten speichert. Diese Anleitungen lagen herum und verschwanden regelmäßig irgendwann.

Redakteurin im Feuilleton.
Nun ist meine Mutter achtundsiebzig und belegt einen Computerkurs. Denn natürlich kann man sich auf sein Alter herausreden, aber fast jeder kommt heutzutage in die Situation, irgendwo mit moderner Datenverarbeitung konfrontiert zu werden, und sei es im Vorstand der lokalen Turnerschaft. „Ich kam mir so blöd vor“, sagte meine Mutter. Sie habe das Protokoll der Vereinssitzungen immer von meinem Vater abtippen lassen müssen, und dann habe der das ausgedruckt und an den Vorstand gegeben, und der habe das für die Vereinszeitschrift wieder abtippen müssen, weil mein Vater nicht weiß, wie man das auf so einen Stick bekommt. Sie habe auch die Protokolle der anderen nie korrigieren können, obwohl sie als alte Sekretärin Kommas setzen kann wie kein anderer. Immer von hinten auf den Bildschirm zeigen und „da kommt ein Komma“ sagen, das ist doch nix. Da fühlt man sich doch dämlich.
Ein Schutzraum, in dem keine Frage zu dumm ist
Nun sitzt sie mit meinem Vater, dem ein wenig Nachhilfe guttut, und einem kleinen Grüppchen Spätberufener einmal in der Woche beim Roten Kreuz in Frankfurt-Griesheim und übt, mit ihrem neuen Laptop umzugehen. „Das Google“ kann sie jetzt schon. Eine Mailadresse ist eingerichtet, und die Post „aus dem T-Online herausholen“ klappt auch. Es ist ein Schutzraum, dieses kleine Grüppchen, in dem keine Frage zu dumm ist und kein Fehlversuch zu viel, denn alle anderen sind ja auch nicht weiter. Dabei wächst die Gruppe der Online-Nutzer ab sechzig ziemlich rasant: Inzwischen hat in Deutschland etwa die Hälfte von ihnen einen Internet-Anschluss. Im europäischen Vergleich ist das eher wenig, der Durchschnitt liegt etwa bei zwei Dritteln.
„Keiner soll vor dem anderen Angst haben“, sagt Edeltraud Stockmann, die das Kursangebot koordiniert, den Kaffee kocht und Kuchen hinstellt, denn die familiäre Atmosphäre ist wichtig. Zur kleinen Pause hat jeder gelernt, was eine App ist, wie man sie als Kachel auf den Desktop bekommt und wieder löscht. Einigen reichen diese Grundkenntnisse, andere entwickeln regelrechten Ehrgeiz. Die älteste Teilnehmerin, die mit 83 Jahren begann, entwirft jetzt mit Begeisterung Glückwunschkarten, andere schreiben an den Enkel, der als Touristenführer auf Bali arbeitet, oder halten untereinander Kontakt. „Am Ende sollen alle stolz ihren Enkeln präsentieren können, was sie gelernt haben“, sagt Stockmann.
Führungskräfte fangen an der Basis an
Diese Kinder oder Enkel sind ja so ein Thema für sich. Die sagen gern, alles sei ganz einfach, aber die Eltern kommen bei ihren Erklärungen nicht hinterher, weil ihnen die Grundkenntnisse fehlen. Es fängt ja mit dem einfachsten an: Warum kann man in das Feld da nicht hineinschreiben? Warum schreibt der Computer jetzt alles groß? Was will mir dieses Fenster schon wieder sagen? Die Kinder haben nicht die Geduld, alles mehrfach zu erklären, die Eltern fühlen sich alleingelassen und am Ende sind alle frustriert.