Matthew Johnstone: „Mein schwarzer Hund“ : Fall nicht ins schwarze Loch
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Bild: Kunstmann
Hunde sind treu wie Depressionen, aber sie folgen eben auch ihrem Herrn, wenn sie gute Hunde sind. Matthew Johnstone zeigt mit seinem Ratgeber „Mein schwarzer Hund“, wie man eben diesen an die Leine nimmt - und spricht dabei aus eigener Erfahrung.
Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, wieso man eine Depression bekommt. Viele Menschen haben sie, und häufig wissen sie sich nicht zu helfen, obwohl von vielen Seiten Hilfe angeboten wird. Die leichten Depressionen, die jeder kennt, bekommt man meistens in den Griff. Wirklich schlimm sind die Depressionen, die auf einen fallen wie ein Meteor aus heiterem Himmel. Man muss mit ihnen in bestimmten Zeitspannen rechnen und man hat auch Angst davor, dass sie auftauchen, aber man kann sich im Grunde nicht gegen sie schützen. Sie hauen einen um, sie rauben einem den Verstand, als wären sie die Herren unserer Gedanken, und werfen einen in das schwarze Loch, das so tief ist, dass kein gutes Zureden von oben uns hier unten erreicht. Häufig hilft einem da nur die Hand eines Arztes heraus, der Medikamente in den Schacht wirft.
Wer von alldem nichts weiß, wen der eiserne Flügelschlag der Depression noch nicht berührt hat, der kann sich einen ersten Eindruck verschaffen, indem er darüber liest, zum Beispiel Andrew Solomons Buch „Saturns Schatten. Die dunklen Welten der Depression“. Oft überfordern solche umfangreichen Bücher die Geduld des betroffenen Lesers, und es ist ja nicht so, dass vor allem Intellektuelle an Depressionen leiden. Im Gegenteil liegt es auf der Hand, dass gerade in sinnresistenteren Berufen Depressionen sich gerne einnisten und dort auf ihr Opfer warten. In helfenden Berufen ist es die menschliche Not, die einen erschöpft und jene Zuversicht ins Leben raubt, die man braucht. Fehlt diese Zuversicht, spricht man auch von Burnout und eben nicht von Depression, die sich dann natürlich auch einstellen kann.
Ein naiver Auftritt gegen die schwere Schleppe der Depression
Wer an Depressionen leidet, dem fehlen oft die Worte, und auch den Nächststehenden fehlen häufig die Worte; sie verstehen nicht, was los ist und wie es dazu kommen konnte, es sei doch alles in Ordnung und das Leben nicht so schlecht. Depressive Menschen fühlen sich daher schnell an den Rand gedrängt, sie sind ungewollt Außenseiter, unheimliche Menschen, die andere sich gerne fern halten. Da hilft auch nicht der Hinweis auf die lange Kulturgeschichte der Melancholie, die noble kleine Schwester des allesfressenden Depressionsdrachens.
Die Depression wird allseits misstrauisch angeschaut, als wäre sie eine völlig unangemessene und unverständliche Reaktion auf etwas, das nicht für alle sichtbar ist, ja im Gegenteil, das sich allen anderen verbirgt. In diesen Blockadering derer, die sich vom Depressiven abwenden, springt nun der schwarze Hund, dem Matthew Johnstone ein wunderbares Büchlein gewidmet hat. Es sieht aus wie ein Kinderbuch, bunte Bilder und wenig Text, und allein dieser naive Auftritt reißt der Depression schon die lange schwere Schleppe herunter, mit der sie ansonsten einherzuschreiten pflegt.
Den schwarzen Hund an die Leine nehmen
Das diffuse Königreich der Depression, dem man sich kaum zu nähern wagt, ohne an Handgreiflichkeiten, Selbstmord und Totschlag zu denken, knetet Johnstone, als wäre es Lehm von unserem Lehm, zu einem schwarzen Hund zusammen. Eine gute Wahl. Denn Hunde sind treu wie Depressionen, aber sie folgen eben auch ihrem Herrn, wenn sie gute Hunde sind.
Mit Johnstone macht man sich erst einmal keine zu großen Hoffnungen, die Depression einfach abzuschütteln. Man lernt sie als einen schwarzen Hund begreifen, der einem nicht nur hinterherrennt und anspringt, wie es ihm passt, sondern den man auch zum Gehorsam bringen kann. Man soll, das ist Johnstones Rat, den schwarzen Hund an die Leine zu legen versuchen und mit ihm Gassi gehen. Die meisten Menschen haben nichts gegen Hunde, also wird sich auch keiner verstört von dieser vertrauten Erscheinung abwenden.
Eine Begrifflichkeit, die verbindet
Es lässt sich auch besser über den schwarzen Hund als über die Depression reden: Heute wurde ich vom schwarzen Hund über den Haufen gerannt. So ein Satz bannt die Depression in ein Bild, das im Alltag untergebracht werden kann. Ich bin depressiv: Ein solcher Satz lässt sich nicht einfach in die Runde werfen, aber den Satz: Ich gehöre auch zum Verein der Besitzer von schwarzen Hunden, kann man mal fallen lassen.
Die Vorstellung vom schwarzen Hund wird einen auch nicht einfach aus der Depression herausziehen. Aber mit ihr kann man sich draußen sehen lassen, ohne Abwehrreaktionen bei anderen auszulösen. Der schwarze Hund verbindet, tatsächlich. Eine solche Bindung zur Welt da draußen ist wie ein Sonnenstrahl im Loch der Depression. Und mancher Sonnenstrahl ist dann doch eine Leiter gewesen. Matthew Johnstone weiß aus eigener Erfahrung, wovon er spricht.