
Ermittlungen gegen Amazon eingestellt : Versandräuberburg
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Sie hätten ja nur die kommunikationstechnischen Möglichkeiten für Urheberrechtsverletzungen bereitgestellt: Dass die Ermittlungen gegen Amazon.de und Abe-Books Europe eingestellt werden, ist bestimmt rechtmäßig. Wir brauchen andere Gesetze.
In der vergangenen Woche stellte die Münchner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen zwei Geschäftsführer großer Internetunternehmen, Amazon.de und Abe-Books Europe, ein - mangels hinreichenden Tatverdachts. Was wurde ihnen vorgeworfen? Auf ihren Websites waren Raubdrucke der von Roland Reuß und Peter Staengle im Stroemfeld-Verlag herausgegebenen historisch-kritischen Kafka-Ausgabe als Print-on-demand-Bücher angeboten worden. Nicht von den Internetunternehmen selbst, sondern auf den von ihnen für Verkaufsofferten Dritter eingerichteten „Marktplätzen“. Deswegen hatte der Verlag Strafanzeige wegen Urheberrechtsverletzung gestellt.
Umsonst. Denn nun teilte ihm die Staatsanwaltschaft mit, dass im Falle von Amazon.de dieses Unternehmen gar nicht die Betreiberin der nach ihr benannten Website sei, sondern die Muttergesellschaft Amazon EU mit Sitz in Luxemburg. Die deutsche Tochter fungiere nur als Dienstanbieter. Einem solchen aber könne nach geltender deutscher Rechtsauffassung nicht die Verantwortlichkeit für Offerten auf seinen Websites zugerechnet werden, sofern kein „Eventualvorsatz“ einer Urheberrechtsverletzung bei der Zusammenarbeit mit den Anbietern bestehe.
Wir brauchen andere Gesetze
Gleiches gelte für Abe-Books Europe, einer weiteren Tochter von Amazon, die wenigstens ihre deutsche Seite selbst betreibt. Im Resultat jedoch kommt das Gleiche heraus: Man kann diejenigen, die die kommunikationstechnische Voraussetzung dafür schaffen, dass eine Urheberrechtsverletzung möglich wird (hier die Buchbestellung), nicht belangen, weil sie nicht mehr tun, als eben die kommunikationstechnische Voraussetzung dafür zu schaffen.
Böse Absicht wird nicht unterstellt. Aber es gibt Parallelphänomene im deutschen Recht, wo auch keine böse Absicht vorliegt und trotzdem Haftungspflicht besteht. Zum Beispiel die Betriebsgefahr beim Autofahren. Jeder, der ein Kraftfahrzeug bewegt, nimmt nach Auffassung des Gesetzgebers dabei billigend Gefahr in Kauf. Bei einem Unfall, auch wenn man konkret schuldlos daran war, führt das zur Anrechnung einer Teilschuld. Was spricht gegen eine analoge Regelung bei der Einrichtung von Handels- und Tauschforen im Internet? Spätestens seit Napster weiß man, dass solche Kommunikationsnetze missbraucht werden - ob mit oder ohne Wissen der Initiatoren, spielt keine Rolle fürs Ergebnis.
Die Münchner Staatsanwaltschaft wird streng nach den Buchstaben des Gesetzes gehandelt haben, als sie die Ermittlungen einstellte. Wir brauchen andere Gesetze. Solche, die auf der Höhe einer Zeit sind, die gegenüber dem Postulat der Netzfreiheit jegliches andere Recht allzu leicht einzuschränken bereit ist.