Erich von Däniken : Der Taschendieb der Götter
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Vielleicht ist alles ganz anders: Erich von Däniken wird 80. Bild: dpa
Auch mit Geschichte kann man spielen: Zum achtzigsten Geburtstag des Schriftstellers, Unterhalters und Frühgeschichtsverzerrers Erich von Däniken.
Alte Landschaftskunst in Südperu ist in Wirklichkeit eine Startbahn für Raumschiffe? Die Pyramiden der vierten ägyptischen Pharaonenzivilisation sind astronavigatorische Router? Chinesische Baudenkmäler, die sakralen Texte des Judentums und pazifische Ruinen berichten von interstellaren Besuchern? Dass zahlreiche Kulturleistungen versunkener wie fortwirkender menschlicher Zivilisationen unter Anleitung nichtmenschlicher Tutoren erbracht wurden, ist der Lebensgedanke, mit dem der Schweizer Hotelier, Publizist und dekonstruktive Phantasiearchäologe Erich von Däniken reich und berühmt wurde.
Wie man einen wasserdichten Beweis für eine Behauptung anlegt, hat ihn nie interessiert – Anekdoten, Assoziationen, Artefakte, die seine Vorstellungskraft aus irgendeiner Göttergarderobe hat mitgehen lassen, sowie Erfahrungsberichte von Wanderungen durchs Unwegsame genügen ja auch für Millionenauflagen sowie eine Wirkung, die vom allgemeinen Denk- und Debattenstil parahistorischer Internet-Foren bis zum filmischen Spätwerk von Ridley Scott („Prometheus“, 2012) reicht.
Nicht gescheiter als die Altvorderen
Vernunftmenschen wie der Astrophysiker und Volkspädagoge Carl Sagan oder der Mondbesucher Neil Armstrong, der zu Entlarvungszwecken auf dem Höhepunkt der Däniken-Manie 1976 sogar eine Expedition nach Ecuador unternahm, wo er natürlich nichts fand, das die Behauptungen des Alienriechers belegt hätte, haben Erich von Däniken als Ethnozentristen und Gegenwartsverblendeten anschwärzen wollen, der außereuropäischen vormodernen Gesellschaften nicht zutrauen wollte, Bleibendes auf die Beine gestellt zu haben.
Der Vorwurf ist doppelt ungerecht: Erstens darf man vor dem Hintergrund des zwanzigsten Jahrhunderts, in das Erich von Däniken hineingeboren wurde, durchaus daran zweifeln, ob Menschen auf sich gestellt viel Konstruktives einfällt – im Kaputtmachen ist der Homo sapiens seit einiger Zeit fraglos besser als in Kultur und Erbaulichem. Zweitens aber hält Erich von Däniken seinesgleichen keineswegs für gescheiter als die Altvorderen von anderswo, sonst würde er uns, seinen Zeit-, Kultur- und Eidgenossen, doch nicht dauernd solche übergeschnappten Räuber- und Laserpistolen erzählen, die vor allem deshalb so gut ankommen, weil das, was wir allein an zivilisationsstützender und -ermöglichender Technik im täglichen Umgang handhaben, uns oft genug so wenig transparent ist wie nur je ein Geschenk der Götter. (Wie viele Smartphone-User wissen, woraus das Ding gemacht ist?)
Unterhaltsame Perspektivverschiebungen
Der große Gaukler aus Zofingen im Kanton Aargau fühlt sich in der mittlerweile routiniert abgespulten Ausrede, es seien das ohnehin alles nur Denkanstöße und unterhaltsame Perspektivverschiebungen gewesen, sichtlich so wohl wie im „Jungfraupark“ zu Interlaken, einem grenzwissenschaftlichen Rummelgelände, das auf seine Anregung hin konzipiert und 2003 eröffnet wurde. Wer über ihn lachen will, soll das tun, aber Menschen mit Hauptschulabschluss haben dazu möglicherweise eher das Recht als solche mit akademischem Grad in den Sozialwissenschaften.
Denn wie seine angeseheneren und skrupulöseren Kollegen Michel Foucault und Thomas Kuhn, auf die zahlreiche Gebildete in den reichen Ländern nichts kommen lassen, kaut Erich von Däniken im Wesentlichen auf der Meinung herum, frühere und fernliegende Lebensweisen bildeten so etwas wie eine „andere epistemische Formation“ (Foucault), deren Denken und Treiben der unsrigen „inkommensurabel“ (Kuhn) sei. Wer nicht von jetzt und hier ist, muss uns so fremd sein wie die kleinen grünen Männchen – dass Erich von Däniken dieser typisch modernen, europäisch-angelsächsischen Idee auch außerhalb der Studierstube nachgegangen ist, sie dabei je abstruser, desto populärer gemacht und unterwegs sogar noch den Tourismus gefördert hat, soll ihm nicht vergessen sein. Heute wird er achtzig Jahre alt.