Erfinden statt berichten : Ente gut, alles gut

Bitte lächeln: Prinzessin Victoria und Prinz Daniel von Schweden nehmen die Regenbogenpresse nicht zu ernst Bild: dpa
Die Regenbogenpresse erfindet Geschichten über den internationalen Adel: In Schweden wird aus einem Mädchen ein Junge, in den Niederlanden tritt angeblich die Königin ab.
Paris Match“ retuschierte bei Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy etwas weg (Hüftspeck), das „Neue Blatt“ bei Kronprinzessin Victoria von Schweden etwas dazu (Babybauch). Die digitale plastische Chirurgie des französischen Magazins könnte man vielleicht als vorauseilenden Patriotismus interpretieren. Bei der Gewichtszunahme der skandinavischen Adeligen jedoch war eher Auflagensteigerung das Motiv. Die Scheinschwangerschaft ist nun über sechs Jahre her. Das Blatt musste sich für die Fotomontage entschuldigen und einen Widerruf drucken.
Vor einer Woche war es endlich so weit, Prinzessin Victoria brachte ein Kind zur Welt: „Victoria - Hurra, ein Junge! Silvia weinte vor Glück“, titelte die „Neue Welt“, die nach Ansicht des Mutterkonzerns WAZ „seit über 75 Jahren durch seriöse Informationen“ überzeugt. Dumm nur, dass Victoria unseriöserweise Mutter einer Tochter wurde. Entlarvender noch als die Zeitungsente war die Reaktion des Chefredakteurs Kai Winckler. Es habe keinen Grund gegeben, an der Wahrhaftigkeit des Hinweises zu zweifeln, sagte er dem „Focus“. „Das ist mir so noch nie passiert.“ Mit dieser Zeitung wollte Winckler leider nicht sprechen. Die WAZ teilte lapidar mit: „Die Redaktion hat einen bedauerlichen Fehler gemacht und sich selbstverständlich bei den Leserinnen und Lesern dafür entschuldigt.“
Munteres Geschlechterraten
Falsche Geschichte, Entschuldigung, Deckel drauf. So ist das Verfahren. Doch „noch nie passiert“? „Keine Tragödie um Victoria! Nicht verraten, verlassen, verzweifelt. Keine Krebserkrankung“, schrieb das „Neue Blatt“ 2004 auf einer Titelseite. Zuvor war das Gegenteil behauptet worden. Im Widerruf schrieb der damalige Chefredakteur Kai Winckler - genau der, der nun bei der „Neuen Welt“ am Ruder ist: Sollte durch die Artikel der Eindruck entstanden sein, die schwedische Thronfolgerin sei an Krebs erkrankt, so sei „dieser falsch“. Man habe sich „leider immer wieder auf Fehlinformationen“ über das schwedische Königshaus verlassen, sagte Winckler damals, der auch für die schon erwähnte Fotomontage bei Prinzessin Victoria verantwortlich ist. Was für ein Pech.
An das chronische Pech der Regenbogenpresse mag der Anwalt Matthias Prinz nicht glauben, der die Klatschblätter im Auftrag des schwedischen Königshauses mit Gerichtsverfahren überzieht. Für ihn sind viele der Geschichten schlicht „erfunden“. Und das aus gutem Grund: Geschichten über Prominente und Adlige versprechen Auflage. Die Auflage der bunten Blätter summiert sich auf mehrere Millionen Exemplare. In keinem anderen Land hat sie eine solche Tradition: Die „Neue Post“ gibt es seit über 50 Jahren. Fast dreißig verschiedene Titel kämpfen um die Leser. Kaufentscheidend sind vor allem die Geschichten auf Seite eins.