Erdal Yildiz im Gespräch : Was lernt man von einem Krokodil?
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In jedem Bad Guy steckt auch Liebe: Erdal Yildiz in Berlin. Bild: Julia Zimmermann
Er ist der Bösewicht in den jüngsten Schweiger-Tatorten: Ein Gespräch mit dem Schauspieler Erdal Yildiz über Gewalt als Motor, die Auseinandersetzung mit familiärer Enge und über Tiere als Rollenmodell.
Eine Begegnung mit Erdal Yildiz geht einem nicht mehr so leicht aus dem Kopf. Er ist freundlich und ein Mann, der sich über vieles Gedanken macht. Vor der Kamera ist er dagegen beeindruckend böse, zuletzt als Gangsterboss Firat Astan im Schweiger-"Tatort", dessen dritter Teil "Off Duty" ab Donnerstag im Kino läuft. Yildiz stammt aus der Osttürkei, wuchs in Tübingen auf und studierte von 1991 bis 1993 Schauspiel in New York. Er hat Filme mit dem türkischen Regisseur Kutlug Ataman gedreht und in deutschen und türkischen Fernsehserien mitgespielt. Wir treffen uns im "Stue"-Hotel, durch dessen Fenster man die Tiere des benachbarten Berliner Zoo beobachten kann. Wie sich herausstellt, ist dies der ideale Rahmen für unser Gespräch.
Herr Yildiz, ist es schwieriger einen gewalttätigen Typen zu verkörpern als, sagen wir mal, den sanften Lover?
In jedem Bad Guy steckt doch auch Liebe. Er hat eine Mutter, die er liebt, vielleicht vergöttert er seinen Vater. Und sicherlich gibt es jemanden, für den er sterben würde. Nur wenn ich diese Liebe sehe, kann ich eine Brücke zum Zuschauer bauen. Er soll denken, okay, der Typ ist echt gewalttätig, aber irgendwas finde ich auch gut an ihm. Alles andere wäre langweilig.
Die Gewalt müssen Sie trotzdem irgendwo herbekommen.
Natürlich, die Gewalt ist in mir. In jedem Menschen ist Gewalt. Für mich ist sie ein Motor, der eine besondere Energie freisetzt. Man muss in der Lage sein, diese Schublade zu öffnen und mit der Waffe, die da drin liegt, umzugehen, ohne sich dabei zu erschrecken.
Das verlangt viel Selbstreflexion.
Jeder hält seine Gewalt im Verschlossenen, weil er Angst vor ihr hat. Als Schauspieler habe ich das Privileg, meine Brutalität zeigen zu können. Der Zuschauer muss sie an meinem Gang spüren, an meinem Blick, wie ich atme, den Kopf drehe. Im Alltag möchte ich diese Schublade gar nicht öffnen, da auch ich mich vor ihr fürchte. Es ist, als fließe die Gewalt direkt unter meiner Haut. Deshalb bekomme ich beim Drehen manchmal eine Gänsehaut. Aber natürlich braucht es ein gutes Drehbuch und eine gute Regie, um in solche Extreme gehen zu können. Ein Pinguin, den man auf die Straße setzt, watschelt hilflos herum. Gibt man ihm aber ein Wasserbassin, weiß er, was zu tun ist.
Was liegt in Ihrer Gewaltschublade?
Bis mein Vater vor drei Jahren starb, sagte ich immer: Ich bin die Gewalt meines Vaters und die Sehnsucht meiner Mutter. Beides lebt in mir und ist sehr gutes Material, um einen interessanten Bösewicht abzugeben. Es schiebt sich ineinander und resultiert in, wie soll ich sagen, einer sanften Gewalt. Mit dem Tod meines Vaters hat es sich gedreht. Ich wurde die Gewalt meiner Mutter und die Sehnsucht meines Vaters.
Kinotrailer : „Tschiller: Off Duty“
Wie das?
Vor dem Tod meines Vaters war die Gewalt meiner Mutter nicht erkennbar. Aber dann war das schützende Gehäuse plötzlich weg. Meine Mutter sagte: Meine Säulen sind zusammengebrochen. Ihre Gewalt war immer hinter jener meines Vaters zurückgetreten, jetzt fehlte dieser Schutz. Auf einmal fiel ein ganz anderes Licht auf sie und meinen Vater.
Sie scheinen Ihre Eltern genau beobachtet zu haben.