Enoch zu Guttenberg : Ich trete aus dem BUND aus
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Ein Bild wie aus H.G.Wells „Krieg der Welten“: Was darin die „Wunderwaffen“ der attackierenden Marsbewohner, sind hier die Windräder im Landkreis Euskirchen Bild: dpa
Vor 37 Jahren habe ich den BUND mitgegründet - für eine schönere, gesündere Welt. Das Ziel wurde verfehlt, es geht nicht mehr um die Natur und ihren Schutz. Mir reicht es.
Zu den unvermeidlichen Lektüren unserer Jugend zählte neben Karl May, Jack London und Jules Verne auch H. G. Wells; und so, wie keiner Winnetou, Wolfsblut und Kapitän Nemo je vergessen wird, so blieb uns allen aus Wells’ „Krieg der Welten“ eine Szene unauslöschlich in Erinnerung: die erste Begegnung des Erzählerhelden mit jenen Maschinenmonstern, mit denen die Marsbewohner ihre Invasion der Erde einleiten: „Anfangs achtete ich nur auf die Straße vor mir; plötzlich aber wurde meine Aufmerksamkeit durch etwas anderes erregt. Ein ungeheurer Dreifuß, höher als viele Häuser, fuhr über die jungen Fichten und schmetterte sie zur Seite. Ohne lange zu überlegen, riss ich das Pferd herum.“
Inzwischen wurde die Horrorvision des Jahres 1898 Wirklichkeit. Es gibt sie, diese stählernen Monster, auch wenn sie sich statt mit drei Füßen mit drei Rotorblättern durch die Landschaft fräsen. Doch sie sind kein Werk außerirdischer Invasoren. Sie sind einzig von uns selbst gemacht. Ich will nicht verleugnen: Es ist auch eine Kinderangst, ein atavistisches Urentsetzen, das mich umtreibt. Die Vernunft sagt mir: Es hilft der laufenden Debatte herzlich wenig, die Windenergie zu dämonisieren. Sie hat innerhalb eines umfassend neu bedachten Energiekonzeptes durchaus ihre sinnvolle Funktion Doch jedes Mal, wenn jäh nach einer Steigung auf dem nächsten Gipfelkamm vier oder fünf von diesen Ungeheuern aus dem Nichts auftauchen, befällt mich die alte H.-G.-Wells-Horror-Vision: ein panisches Bedürfnis, das Steuer herumzureißen; das Steuer politisch herumzureißen, um die Menschen vor dieser Ungeheuerlichkeit zu bewahren.
Es geht nicht länger bloß um zukunftsweisende Bauästhetik
Den Erfindern dieser Technologie war das Monströse noch bewusst. Als in den frühen 1980er Jahren im Kaiser-Wilhelm-Koog bei Marne die erste deutsche Großwindenergieanlage errichtet wurde, waren es die Betreiber selbst, welche diese sperrige Bezeichnung in einer Anwandlung von Galgenhumor auf das Kürzel „Growian“ reduzierten und ihre Gesellschaft „Growian GmbH“ nannten.
Dies hat sich inzwischen gründlich geändert. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte wörtlich: „Das sind sehr schöne Maschinen, mir gefallen sie.“ Und in einer Broschüre der Firma NW - Neuhäuser-Windenergiesysteme, spezialisiert auf den Markt relativ kleiner, also mit rund 20 bis 25 Metern „nur“ kirchturmhoher Anlagen für jedermann, liest man unter dem Titel „Visuelle Integration“ folgende Werbelyrik: „Die vertikalen H-Rotoren der NEUHÄUSER-Windenergiesysteme haben eine elegante, schlanke Form und eine symmetrische Ausrichtung. Die Anlagen sind architektonisch und städtebaulich gut integrierbar und fügen sich besonders in eine zukunftsweisende Bauästhetik homogen ein.“ Doch unser wenigstens in Teilen immer noch berückend schönes altes Deutschland besteht leider nicht allein aus „zukunftsweisender Bauästhetik“. Es besteht aus einer in Jahrtausenden gewachsenen, geformten Landschaft, einem singulären Reichtum zivilisatorischer Strukturen und historischer Substanz.
Nach der Energiewende des Sommers 2011 geht es nicht länger bloß um „zukunftsweisende Bauästhetik“, also um Gewerbegebiete, Industriereviere, Siedlungswüsten und planierte Autobahnbrachen. Dort sind Windräder tatsächlich „städtebaulich gut integrierbar. „Doch davon reden wir hier leider nicht. Inzwischen nämlich geht es um die Kernregionen deutscher Geschichte und Kultur, um Landschaftsschutzgebiete, bislang sorgsam bewahrte Kulturräume und Ensembles, die man um unseres unstillbaren Energiehungers willen im Verein mit den unsagbaren Photovoltaik-Untaten auf den Dächern alter Ortsgefüge, in ihrer Identität, in ihrem Wert hinrichtet und vernichtet.