
Eine Insel im Beton : In der Taverne
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Trotz grausamer Architektur und grausamer Zeit muss ein Besuch beim Griechen kein trister Ausflug sein. Wo ist die Krise? Eine Spurensuche bei Schnitzel und Pils.
Es war an einem dieser phantastisch warmen Spätsommerabende. Das Restaurant „Griechische Taverne“ lag in der Heidelberger Altstadt da wie immer: denkbar scheußlich, eingezwängt zwischen Beton, nicht viel anders als in diesen Sketchen, in denen sich Loriot und Gerhard Polt über südländische Hotelanlagen so ätzend lustig machen, die in Wirklichkeit ein einziger Beton-Horror sind, den deutsche Touristen aber gar nicht als solchen wahrnehmen. In Heidelberg hat man schärfere Augen für diese sogar für hiesige Breitengrade ungewöhnliche Hässlichkeit und nennt das Lokal einfach „Beton-Grieche“, ohne damit im Geringsten etwas über die Qualität des Essens gesagt haben zu wollen. Womöglich ist die Selbstverständlichkeit, mit der diese Bezeichnung laut wird, aber die ortsübliche Art, an die ästhetischen Standards dieser Stadt zu erinnern und gleichzeitig eine gewisse Genugtuung darüber zu äußern, dass ausgerechnet Griechen dagegen verstoßen. Gut besucht ist das Lokal trotzdem allzeit.
Wir betreten es, das Lied des Udo Jürgens auf den Lippen („Da saßen Männer mit braunen Augen und mit schwarzem Haar/Und aus der Jukebox erklang Musik, die fremd und südlich war“), und setzen uns. Wird es möglich sein, hier Meinungen über finanzielle Angelegenheiten einzuholen? Schon der Gleichmut, mit dem sich der Kellner mit hängenden Schultern zwischen den Tischen bewegt, lässt nicht darauf schließen, dass man Wert auf Gäste legt, die gekommen sind, um zu sehen, ob „die Griechen ihre Hausaufgaben“ jetzt endlich gemacht haben. Unfreiwillig bringt dies auch die Speisekarte zum Ausdruck, die unter anderem „Spießer aller Art“ verzeichnet.
Um zumindest einen Rest an nationaler Würde zu wahren, bestellen wir Schnitzel und Pils. In dem Moment, da der Kellner mit dem Essen kommt, fassen wir uns ein Herz und fragen, mehr so zur scherzhaften Auflockerung, ob man hier inzwischen wieder Drachmen akzeptiere. „Drachmen?“, fragt der Grieche, als höre er nicht recht. „Nee.“ Und dann lacht er los, aus den Tiefen seines Bauches, der in einem roten T-Shirt steckt, lacht, holt noch ein Bier und stellt es, immer noch lachend, ab. Die taktlose Frage prallt ab an einer Heiterkeit, die überhaupt nichts Gespieltes hat. So muss homerisches Gelächter geklungen haben. Satt vom ausgezeichneten Schnitzel und beruhigt über so viel Selbstbewusstsein, verlassen wir irgendwann die „Griechische Taverne“, auf den Lippen wieder das Udo-Jürgens-Lied.