Michel Mayor zum Achtzigsten : Wie einzigartig sind wir Menschen im Kosmos?
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Entdecker fremder Welten: der Astronom Michel Mayor Bild: Science Photo Library
Mitte der Neunziger zeigte sich: Unser Sonnensystem ist es jedenfalls nicht. Michel Mayor, Entdecker des Planeten 51 Pegasi b, wird heute 80.
Im Jahr 1995 veröffentlichte der amerikanische Astrophysiker David Black einen Übersichtsartikel im angesehenen „Annual Review of Astronomy and Astrophysics“, den er dafür nutzte, eine Bilanz zu ziehen. Es ging ihm um nichts Geringeres als die Stellung des Menschen im Kosmos. Nachdem dieser durch Nikolaus Kopernikus aus dem Zentrum der Welt herausgerückt worden war, habe die Astronomie die kopernikanische Revolution immer weiter fortgeführt, so Black. Heute wisse man, dass die Sonne nur einer unter vielen Milliarden Sternen sei, ein völlig durchschnittlicher Stern zudem, lokalisiert im Außenbereich unserer Galaxie, die ihrerseits nur eine unter vielen Milliarden anderer Galaxien ist. Und dennoch bleibe es zum aktuellen Stand der astronomischen Forschung noch möglich, an der Einzigartigkeit des Sonnensystems festzuhalten: „Derzeit besitzen wir noch keine bestätigte Evidenz aus Beobachtungen für die Existenz eines anderen Planetensystems oder extraterrestrischen Lebens.“ Kurz zuvor waren zwar Planeten im Umlauf um einen Neutronenstern entdeckt worden. Diese Entdeckung blieb allerdings umstritten, zudem war das System unserem Sonnensystem höchst unähnlich. War die Erde also doch etwas Besonderes?
Was Black nicht ahnte: Als er diese Zeilen schrieb, hatte die Forschung zumindest den ersten Teil seiner Aussage bereits widerlegt. Der Astronomieprofessor Michel Mayor von der Universität Genf hatte in den Jahren zuvor mit seinen Kollegen ein neues, sehr leistungsfähiges Beobachtungsinstrument für die Suche nach fernen Planeten entwickelt. Im April 1994 hatte sein Doktorand Didier Queloz am französischen Haute-Provence Observatorium mit diesem Spektrographen ein Beobachtungsprogramm begonnen.
Ein Meister des Instrumentenbaus
Der 1942 in Lausanne geborene Mayor war seit 1988 Professor an der Universität Genf, wo er zuvor auch seine Doktorarbeit abgeschlossen und weiter geforscht hatte. Die Entwicklung hoch präziser Messinstrumente für die Radialgeschwindigkeit von Sternen — also deren Bewegung parallel zur Sichtlinie — war dabei einer seiner Schwerpunkte. Für die Suche nach fremden Planeten würde sich diese Expertise als zentral herausstellen.
Die Suche nach Exoplaneten ist deshalb so herausfordernd, weil diese von ihren viel helleren Heimatsternen massiv überstrahlt werden. Eine direkte Beobachtung ist daher extrem schwierig. Stattdessen hatte man indirekte Strategien für den Nachweis entwickelt. Das von Mayor entwickelte Instrument war darauf ausgerichtet, den Einfluss eines Planeten auf die Bewegung seines Sterns nachzuweisen. Ein planetarer Begleiter würde das Zentralgestirn während seiner Umläufe durch seine Gravitation minimal zum Schwanken bringen. Dies wäre wiederum als periodische Verschiebung von Spektrallinien im Spektrum des Sterns sichtbar — ein winziger Effekt allerdings, für dessen Messung die Empfindlichkeit der herkömmlichen Instrumente nicht ausreichte.
Zudem ging man davon aus, dass entsprechende Beobachtungen viel Zeit erfordern würden. Massereiche Planeten üben den größten gravitativen Einfluss auf den Stern aus. In unserem Sonnensystem befinden sich die massereichen Gasriesen wie etwa der Jupiter weit draußen. Ein Jupiter-Umlauf dauert 12 Jahre, die entsprechenden Änderungen im Spektrum des Sterns würden sich auf dieser Zeitskala abspielen.
Überraschender Fund
Michel Mayor erwartete daher nicht, dass sein Doktorand Queloz mit seinem Beobachtungsprogramm schnell fündig werden würde. Während die Beobachtungen anliefen, verabschiedete er sich zunächst einmal für sechs Monate zu einem Sabbatical nach Hawaii. Im September 1994 schwenkte Queloz das Teleskop erstmalig auf den Stern 51 Pegasi, einen unserer Sonne ähnlichen Stern in knapp 50 Lichtjahren Entfernung. Zu seiner großen Überraschung fand er dort die gesuchten Schwankungen — allerdings mit einer Umlaufzeit von nur rund vier Tagen.
Als er den Fund seinem Doktorvater präsentierte, war der erst einmal skeptisch. Die Beobachtungen passten so gar nicht zu den theoretischen Erwartungen. Mayor beschloss, mit der Verkündung der Entdeckung zunächst zurückhaltend zu sein und erst zu prüfen, ob die Beobachtungen sich als reproduzierbar herausstellten. Als das der Fall war und außerdem eine ganze Reihe alternativer Erklärungen ausgeschlossen worden waren, veröffentlichten er und Queloz ihre Entdeckung schließlich im November 1995. Diese wurde kurz darauf von einer unabhängigen Forschergruppe bestätigt, sodass es keinen Zweifel mehr gab: Der Stern 51 Pegasi wird von einem jupiterähnlichen Planeten umrundet, genannt 51 Pegasi b, und zwar in einer Entfernung, die nur rund fünf Prozent der Entfernung von Sonne und Erde entspricht. Diese Entdeckung war vollkommen unerwartet. 2019 bekamen Queloz und er dafür den Physik-Nobelpreis.
Die unerwartete Vielfalt des Kosmos
Was aus der Beobachtung direkt folgte, bezeichnete Mayor selbst als den wichtigsten Aspekt ihrer Entdeckung: Andere Sonnensysteme mögen völlig anders sein als das unsrige. Große Gasplaneten können etwa von außen nach innen in Richtung Stern wandern und somit die uns gewohnte Ordnung der inneren Gesteins- und äußeren Gasplaneten auf den Kopf stellen. Ein weiteres Mal hatte sich damit gezeigt, wie vorsichtig wir damit sein müssen, das, was wir aus unserer menschlichen Umgebung kennen, für das kosmisch gültige Maß zu halten.
Für die Erforschung von Exoplaneten war die Entdeckung ein Startschuss. Fast 5000 Exoplaneten wurden seitdem gefunden. Deren Analyse bestätigte, wie viel größer als ursprünglich erwartet die Vielfalt fremder Sonnensysteme ist. Der Versuch der Beantwortung des zweiten Teils der Black’schen Frage nach der Existenz fremden Lebens bekam durch diese Entdeckungen neuen Aufwind. Michel Mayor erwartet hier entscheidende Fortschritte innerhalb der kommenden Jahrzehnte. Heute feiert er seinen achtzigsten Geburtstag.