Ein Pirat zieht sich zurück : Ich gehe: Mein Rücktritt vom Amt
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Die Jobcenter teilen ihre Kunden in mehrere Kohorten ein: arbeitsmarktnah, arbeitsmarktfern, nicht vermittelbar. Doch es gibt auch eine inoffizielle Kategorie: Kunden, die ihre Rechte kennen. Sie kommen oft zu zweit aufs Amt, begleiten sich gegenseitig. Insider berichten, das seien etwa zwei Prozent der Kunden. „Wären es fünf bis zehn Prozent“, so ein Insider, „könnten wir einpacken“.
Freiwild für das Jobcenter
Die Mitarbeiter sollen unterstützen und gleichzeitig entscheiden sie über die weitere Förderung eines Kunden. Selten sind sie Kenner der Branchen, bis heute sind die Jobcenter organisiert wie Einwohnermeldeämter: Die Kunden werden nach Alphabet zugeteilt. Je spezifischer das Berufsfeld, um so weniger können die Mitarbeiter kompetente Unterstützung anbieten. Warum nicht ein Mitarbeiter die Selbständigen betreut, einer die Künstler, einer die Handwerker - man weiß es nicht.
Grundsätzlich ist jede Arbeit zumutbar. Wenn mich ein rechtsextremistisches Magazin auffordert, dort einen Artikel zu veröffentlichen, muss ich das theoretisch annehmen. Am krudesten zeigt sich die Logik im Umgang mit Prostituierten. Die entsprechende Anordnung legt fest, dass Prostituierte nicht zur Ausübung der Prostitution gezwungen werden dürfen, wenn sie der Prostitution grundsätzlich nicht mehr nachgehen wollen. Im Umkehrschluss heißt das: Möchte jemand der Prostitution zeitweise selbstbestimmt nachgehen, wird er für das Jobcenter zum Freiwild, es sei denn, er begeht Sozialbetrug.
Kein Anlass zur Sanktionierung
Bei meinem letzten Gespräch im Jobcenter lege ich meine Einnahmen des letzten Monats vor. Gut 1800 Euro habe ich verdient, genug, um mit den Leistungen mehr als einen Monat auszusetzen. Mein Arbeitsvermittler ist völlig überfordert, sich auf die neue Situation einzulassen. Man hat jetzt einen detaillierten Integrationsplan für mich ausgearbeitet; das lese ich zumindest in der Presse. Während mein persönlicher Ansprechpartner rechtswidrig sein Programm durchzieht und meine alte Eingliederungsvereinbarung einseitig und vorzeitig außer Kraft setzen will, plaudert die Sprecherin der Arbeitsagentur öffentlich über meinen Fall, ohne dass ich sie je vom Sozialgeheimnis entbunden hätte.
Es habe bislang keinen Anlass gegeben, mich zu sanktionieren, sagt sie der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Wo kommen wir hin, wenn jeder Journalist in Nürnberg nachfragen kann, ob ein Kunde der Arbeitsagentur schon einmal sanktioniert wurde oder nicht?
So wie es aussieht, werde ich in Kürze genug Einkommen haben, um vom Jobcenter unabhängig zu sein. Bis dahin wollen mich Freunde unterstützen. Nun ist ein Sprung ins Ungewisse angesagt, wie ihn viele gehen, die die Gängelung durch die Jobcenter nicht mehr ertragen und freiwillig auf Sozialleistungen verzichten. Ich verlasse das Amt, um frei zu sein. Das Arbeitsamt. Nicht mein Amt als politischer Geschäftsführer.