Ein literarisches Vorbild : Wulffs Ensemble
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Schon Bertolt Brechts Dogsborough konnte Geschenke guter Freunde nicht ablehnen. „Dieses Landhaus hätt’ ich nicht nehmen dürfen“, bekennt die an Reichspräsident Hindenburg angelehnte Figur.
Es lohnt jetzt ein Blick in Bertolt Brechts „Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui“. Berühmt sind die Inszenierungen des Berliner Ensembles (zuletzt mit Martin Wuttke als Ui). Dort gab der Bundespräsident kürzlich Auskunft über sein Amtsverständnis. Brecht hatte die letzten Jahre von Weimar ins Amerika der Prohibitionszeit übertragen; aus Reichspräsident Hindenburg machte er den Kneipier Dogsborough. Und Dogsborough spricht auf der Bühne, auf der Wulff mit Blick auf die Berichterstattung über seine Person vor einer „Rückkehr ins Mittelalter“ warnte: „Dieses Landhaus hätt’ ich nicht nehmen dürfen.“
Wenig später sucht Dogsborough nach Gründen, warum er das Geschenk der Freunde annahm: „Es waren die Pappeln, die bei diesem Landsitz/Mich reizten. Und der Blick zum See, wie Silber/Bevor’s zu Talern wird.“ Denn Christian Wulff war nicht das erste Staatsoberhaupt, das bei guten Freunden nicht nein sagen konnte. 1921 hatte Hindenburg von der Stadt Hannover eine Villa als Alterssitz erhalten, doch aus dem Ruhestand an der Leine wurde nichts, 1925 musste das Reichspräsidentenpalais bezogen werden. Das gesellschaftliche Parkett Berlins war nicht die Welt des Wahl-Hannoveraners, da kam 1927 der gute Freund und stockreaktionäre Landwirt Elard von Oldenburg-Januschau wie gerufen, der mit Hilfe von Spenden der Wirtschaft ein ganz besonderes Geschenk für Hindenburg organisierte: das westpreußische Landgut Neudeck.
Im „Osthilfeskandal“ wurde gegen kein Gesetz verstoßen
Das war Hindenburgs alter Familiensitz, in den Inflationsjahren musste er an eine Bank verkauft werden: finanziell ein Fass ohne Boden. Bei einem Ende der Amtszeit, nach der ihm nur ein verhältnismäßig geringer „Ehrensold“ zugestanden hätte, „könnte er z.B. seinen Kuhstall in Neudeck nicht vollenden“, wie 1931 ein Hindenburg-Vertrauter notiert. Dass sich der Reichspräsident gegen Ende der ersten Amtszeit für die ostdeutsche Landwirtschaft einsetzte, kam auch Oldenburg-Januschau und Neudeck zugute; 1932 wurde der „Osthilfeskandal“ von der Presse aufgedeckt: Praktiken, die gegen kein Gesetz verstießen, aber das Amt des Staatsoberhaupts beschädigten; so war 1927 aus steuerlichen Gründen nicht Hindenburg, sondern Sohn Oskar ins Grundbuch eingetragen worden.
Bei Brecht heißt das Ganze „Dockshilfeskandal“, es geht um Gelder für Hafendocks, die tatsächlich die Gemüsehändler des Karfiol-Trusts erhalten. Aber wie bodenständig erscheinen diese Gemüsehändler gegen Finanzdienstleistungsunternehmer in Hannover! Bei Brecht steht aber schon Arturo Ui als Erpresser vor der Tür. Von seinen Freunden hatte Christian Wulff auf der Bühne des Berliner Ensembles nicht gesprochen. Arturo Ui aber sagt dort: „Heute haben Sie keinen Freund mehr, aber morgen/Haben Sie nur Feinde.“