
Comic-Konzert von Itay Dvori : Sprachlos
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Itay Dvori am Flügel (links) begleitet in Frankfurt den Comic zum Leben der Mathematikerin Emmy Noethen. Bild: Andreas Platthaus
Vor vier Jahren begann der israelische Pianist Itay Dvori damit, Projektionen von Comics mit Musik zu begleiten. Sein neues Programm erzählt vom Schicksal deutscher Jüdinnen, pikanterweise umrankt von Mendelssohns Liedern ohne Worte.
Comics definieren sich als untrennbare Kombination von erzählenden Bildern und Texten. Von Musik als dritter Komponente ist da keine Rede. Trotzdem hat der israelische Pianist Itay Dvori vor vier Jahren das Prinzip des Comic-Konzerts für sich entdeckt: Zur Projektion von Einzelbildern aus den vorgestellten Geschichten spielt er „sorgfältig komponierte, aber großzügig improvisierte“ (Dvori) Musik.
So auch am Dienstagabend im Veranstaltungssaal des Frankfurter Ignatz-Bubis-Gemeindezentrums, wo unter dem Hamlet-Zitat „Vor allem eines – Dir selbst sei treu“ Einblick in fünf als Comics umgesetzte Lebensläufe bedeutender deutscher Jüdinnen gewährt wurde: Elke Renate Steiner hat die tragische Geschichte von Regina Jonas, der ersten Rabbinerin, gezeichnet, Ken Krimstein „die drei Leben der Hannah Arendt“ skizziert, Barbara Yelin sowohl die Karriere der Schauspielerin Channa Maron als auch Mascha Kalékos berühmtes autobiographisches Gedicht „Mein Kinderlied“ graphisch gestaltet und schließlich Elena Mistrello das Schicksal der Mathematikerin Emmy Noether in Bilder gesetzt.
Die fünf jeweils etwa zehn Minuten währenden Bildsequenzen (meist nur Ausschnitte der Comics) begleitete Dvori im Stil eines virtuosen Stummfilmpianisten. Doch um und zwischen die einzelnen Projektionen streute er Mendelssohns Sechs Lieder ohne Worte ein, deren wehmütig-romantischen Melodienschatz er auch in seinen Comic-Kompositionen zitierte: zu all den Reminiszenzen an glückliche Zeiten in Deutschland, die dann so grausam beendet wurden.
Was für eine Chuzpe, Lieder ohne Worte und Bilder mit Worten zu mischen bei einem Thema, das vor Entsetzen sprachlos macht. Mendelssohns Antrieb war die Beweisführung, dass Musik wortlos erzählen kann. Comiczeichner vertrauen dagegen gerade nicht allein auf ihre Bilder. Und Dvori selbst gibt mit seiner Erweiterung des Comics um eine dritte darstellende Dimension ein Plädoyer für hybride Kunst ab, die sich gar nicht mehr um Formgrenzen scheren, sondern allein im Dienste des Erzählens stehen soll.
Das ist nur konsequent aus dem Bedürfnis seines aktuellen Programms heraus: Zeugnis abzulegen über die Nachtseiten der deutsch-jüdischen Geschichte – anhand von Lichtgestalten. Dvoris Zugabe war denn auch das ungeachtet seiner Molltonart strahlende Notturno von Mendelssohns Schwester Fanny Hensel. Ein weiteres Lied ohne Worte, gar nicht ausgewiesen als solches, aber in der Brillanz von Komposition und Interpretation ein klingendes Erzählstück sondergleichen. Das wie der ganze Abend sprachlos machte. Dann auch vor Begeisterung.