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Donald Trump : Fahnenträger der Frustrierten

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Wie viele Amerikaner denken wie Donald Trump? Bild: AFP

Hoffentlich nominieren die Republikaner Donald Trump – ins Weiße Haus einziehen wird dieser Verrückte dennoch nicht. Das dürfte vor dem Beginn der Vorwahlen auch die einzige gute Nachricht sein. Ein Gastbeitrag.

          5 Min.

          Für die meisten Amerikaner ist Donald J. Trump eine abstoßende Kreuzung zwischen Joseph McCarthy und Benito Mussolini: kraftmeierisch, grimassierend, arrogant, dünnhäutig, verlogen, nicht sehr intelligent, zu Ausfälligkeiten neigend, spaltend, unsensibel und – wenn man bedenkt, was es konkret heißt, ein ziemlich großes Land zu regieren – sehr viel mehr als nur eine irre Lachnummer. Sollte er tatsächlich Präsident werden, was ganz ausgeschlossen ist, wäre er für uns alle eine Gefahr.

          Oft stelle ich mir vor, wie er die Rede zur Lage der Nation hält oder eine Kabinettssitzung leitet, bei der es um wichtige nationale Sicherheitsinteressen geht, oder wie er den Stabschefs zuhört, die über die militärische Stärke Amerikas und die Lage im Nahen Osten vortragen. Oder wie er einen neuen Obersten Bundesrichter ernennt. Und sofort muss ich an einen übellaunigen Rodney Dangerfield denken. Das heißt nicht, dass Trump keine Anhänger hat. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie viele ihm nicht nur gute Umfragewerte verschaffen, sondern ihn auch tatsächlich wählen. Seine Fans sind, sehr viel mehr als die meisten missmutigen Republikaner, der Ansicht, dass in Amerika zu viel passiert, was verdammt noch mal nicht passieren darf.

          Auf der Seite der Reichen

          Von der Realität wissen sie im Grunde nicht viel, weil sie nur rechte Radiosender hören, Fox News sehen und hetzerische Blogs lesen. Diese Leute sind wütend. Sie kennen keinen einzigen Muslim, wollen mit Muslimen aber nichts zu tun haben. Sie ängstigen sich zu Recht vor Terrorismus, sind aber überzeugt, dass Obama zu nachsichtig gegenüber Ausländern ist (zu denen sie ihn zählen). Sie haben etwas gegen Mexikaner. Sie finden, dass Obamas Gesundheitsreform, der es zu verdanken ist, dass siebzehn Millionen Amerikaner nun für den Krankheitsfall abgesichert sind, kassiert gehört (ohne es genau begründen zu können). Sie finden, Amerika sollte den „Islamischen Staat“ ins Pleistozän bomben und alle anderen, die uns im Weg sind – in Syrien, im Irak oder im Libanon oder wie diese ganzen Länder auch heißen mögen.

          Richard Ford
          Richard Ford : Bild: dpa

          Sie finden, dass sich der Staat viel zu sehr in die Privatangelegenheiten der Amerikaner einmischt – aber natürlich wollen sie, dass der Staat Leute ausspioniert, die ihnen nicht passen, und er soll auch verhindern, dass Abtreibungen durchgeführt werden, dass Mitarbeiter ihr Unternehmen vor Gericht bringen, und sie sind dafür, dass Wählerausweise ausgestellt werden, womit faktisch dafür gesorgt würde, dass nicht allzu viele Schwarze wählen gehen. Und natürlich wollen sie eine oder mehrere Pistolen besitzen oder ein Schnellfeuergewehr, das sie in die Kirche mitnehmen, für den Fall, dass jemand es an Höflichkeit fehlen lässt.

          Diese potentiellen Trump-Wähler sind nicht, wie manchmal zynisch behauptet wird, eine Horde dumpfbackiger, bildungsferner weißer Männer der unteren Mittelschicht, obwohl dieser Typus unter seinen Fans stark vertreten ist. Es sind vielmehr Leute jeden Geschlechts und jeden Alters, denen Ronald Reagan einst versprach, sie würden, wenn sie sich auf die Seite der Reichen schlügen, Wohlstand, Glück und jenes gute Leben erlangen, das ihnen, wie sie glaubten, als Amerikanern zustand (aber nicht unbedingt Ihnen oder mir). „Trickle down“ nannte man das – im Brustton der Überzeugung.


          So funktionieren die Vorwahlen in Amerika

          © AP

            In den Vereinigten Staaten haben die Vorwahlen für die Präsidentenwahl begonnen. Die Bewerber müssen sich den Voten der Wähler in den Bundesstaaten stellen. Doch wie funktionieren die Vorwahlen eigentlich?

            Warum gibt es überhaupt Vorwahlen?

            Die Wahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten wird zwar erst im November stattfinden, doch schon jetzt beginnt die heiße Phase. Anders als etwa in Deutschland üblich werden die Kandidaten der jeweiligen Partei nicht von der Parteiführung oder einem Parteitag bestimmt, sondern in Vorwahlen. In jedem Bundesstaat finden sogenannte „Caucuses“ und „Primaries“ statt. Die dort gewählten Delegierten fahren dann zum jeweiligen Parteikongress. Die Demokraten veranstalten diesen vom 25. bis zum 28. Juli in Philadelphia, die Republikaner vom 18. bis zum 21. Juli in Cleveland. Erst dort werden die jeweiligen Präsidentschaftskandidaten gekürt.


            Wie funktioniert ein „Caucus“?

            Ein „Caucus“ ist eine Wahlversammlung auf Bundesstaatsebene, deren Teilnehmer über die Kandidaten diskutieren und schließlich abstimmen. „Caucuses“ werden oft als besonders demokratisch gelobt, da es einen direkten Austausch der Wähler über die Kandidaten gibt. Als Nachteil wird genannt, dass die Versammlungen oft an Arbeitstagen stattfinden und lange dauern – und damit in der Regel nur solche Wähler kommen, die ohnehin politisch engagiert sind. In der Vergangenheit war die Beteiligung an den „Caucuses“ deshalb oft geringer als an den „Primaries“. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner veranstalten in diesem Jahr 17 solcher Versammlungen.

            Um in den Vereinigten Staaten wählen zu können – und auch, um an den Vorwahlen teilnehmen zu können – müssen sich die Wahlberechtigten bei den Behörden ihres Bundesstaates registrieren lassen. In einigen Staaten müssen sie dabei ihre Parteipräferenz angeben, werden also als Demokrat, Republikaner oder Unabhängiger geführt. An einem geschlossenen „Caucus“ dürfen nur registrierte Wähler der jeweiligen Partei teilnehmen. An einem offenen „Caucus“ dürfen auch registrierte Wähler der jeweils anderen Partei sowie Unabhängige teilnehmen – allerdings darf jeder Wähler nur zu einem „Caucus“. Welches Prozedere angewendet wird, entscheidet die Partei des jeweiligen Bundesstaates.


            Was ist eine „Primary“?

            Die „Primaries“ sind ähnlich organisiert wie die Präsidentschaftswahlen. Jeder Bundesstaat legt ein Datum fest, an dem die Wähler in ihrem Wahllokal abstimmen können. Der Bundesstaat organisiert auch die Auszählung der Stimmen. Beide Parteien tendierten in den vergangen Jahrzehnten zu „Primaries“, da sie diese im Gegensatz zu den „Caucuses“ nicht selbst organisieren und finanzieren müssen.

            Auch bei den „Primaries“ gibt es mehrere Varianten. Bei geschlossenen „Primaries“ dürfen nur die registrierten Wähler einer Partei abstimmen. Unabhängige Wähler dürfen nicht teilnehmen. Bei halboffenen „Primaries“ können sich Unabhängige bei einer der beiden Parteien beteiligen. In einer offenen „Primary“ darf sich jeder Wähler an der Abstimmung der Partei seiner Wahl beteiligen. Welche Form genutzt wird, entscheidet der Bundesstaa.

            In diesem Jahr finden 40 „Primaries“ statt. Zusammen mit den „Caucuses“, kommt man auf 57 Wahlen, obwohl Amerika nur 50 Bundesstaaten hat. Das kommt daher, dass auch im District of Columbia abgestimmt wird, die Briefstimmen von amerikanischen Bürgern im Ausland als eigene Wahl zählen und auch die Bürger in den Überseeterritorien der Vereinigten Staaten, Amerikanisch Samoa, Guam, Nördliche Marianen, Jungferninseln und Puerto Rico, über die Kandidaten der Parteien abstimmen – obwohl sie nicht an der eigentlichen Präsidentenwahl teilnehmen dürfen.


            Nach welchem Prinzip werden die Delegiertenstimmen verteilt?

            In den Vorwahlen der Demokraten gilt das Verhältnisprinzip, ein Kandidat bekommt für den Parteikongress also die Anzahl an Delegiertenstimmen zuerkannt, die der Prozentzahl seiner Wählerstimmen entspricht. Erhält ein Kandidat 60 Prozent der Wählerstimmen, bekommt er auch 60 Prozent der Delegiertenstimmen des jeweiligen Bundesstaats. In fast allen Staaten gibt es dabei ein Hürde: Ein Kandidat bekommt nur Delegierte zugesprochen, wenn er eine bestimmte Prozentzahl – meist 15 Prozent – der Wählerstimmen erringen konnte.

            Die Republikaner verfahren in vielen Bundesstaaten ebenfalls nach diesem System. In einigen ist es jedoch möglich, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen alle Delegierten erhält. In anderen Staaten bekommt ein Kandidat sämtliche Wahlmänner zugesprochen, wenn er mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen erhält.


            Wie viele Delegierte gibt es pro Bundesstaat?

            Die Parteien legen fest, wie viele Delegierte ein Staat zum Nominierungsparteitag entsenden darf. Bei den Demokraten beruht die Anzahl auf zwei Faktoren: Zum einen darauf, wie viele Stimmen der demokratische Präsidentschaftskandidat der vergangenen drei Wahlen aus dem jeweiligen Staat bekommen hat und zum anderen darauf, wie viele Wahlmänner der Staat ins Gremium zur Wahl des Präsidenten schickt.

            Die Republikaner bestimmen je Wahlbezirk drei Delegierte. Hinzu kommen für jeden Staat mindestens zehn weitere – abhängig unter anderem davon, ob der Staat einen republikanischen Gouverneur hat, eine republikanische Mehrheit im Staatsparlament und wie viele republikanische Abgeordnete im Kongress in Washington.

            In Iowa zum Beispiel, dem Staat, in dem die Vorwahlen beginnen, wählen die Demokraten 44 Delegierte, die Republikaner 30. Die wenigsten Delegierten gibt es bei den Demokraten in Amerikanisch Samoa mit vier, bei den Republikanern haben alle Überseeterritorien bis auf Guam neun Delegierte. Die meisten Delegierten bringt in beiden Parteien das bevölkerungsreiche Kalifornien ein. Die Republikaner vergeben dort 172 Stimmen und die Demokraten 476.


            Was wird von den Delegierten erwartet?

            Die in den „Caucuses“ und „Primaries“ bestimmten Delegierten sind beim jeweiligen Parteikongress daran gebunden, für den Kandidaten zu stimmen, für den sie gewählt wurden. Es gibt bei den Parteitagen jedoch auch unabhängige Delegierte, die frei abstimmen dürfen. Das hat strategische Gründe: Bei unklaren Verhältnissen sollen sie für das aus Parteisicht bessere Ergebnis sorgen. Die unabhängigen Delegierten werden von der Partei bestimmt – meist sind es aktuelle oder ehemalige Amtsträger.


            Wie viele Delegiertenstimmen brauchen die Kandidaten?

            Um die Nominierung der Partei zu erringen, braucht ein Kandidat mindestens die Stimmen der Hälfte der Delegierten plus einen. Bei den Demokraten entspricht das in diesem Jahr voraussichtlich 2026 Delegiertenstimmen. Der republikanische Bewerber muss wahrscheinlich 1051 Delegiertenstimmen auf sich vereinen.



          Egomanie und kostspieliges Theater

          Doch genau das trat nicht ein. Die Reichen wurden immer reicher und taten, was Reiche eben tun, die Einkommen stagnierten, Fabriken mussten schließen, Arbeitsplätze wurden nach Irland oder Singapur ausgelagert, ein linker Schwarzer kam ins Weiße Haus, und aufgrund der Gewissenlosigkeit ebenjener Oligarchen, die der amerikanische Arbeiter sich zum Vorbild nehmen sollte, ging die ganze Wirtschaft schließlich den Bach runter. Donald J. Trump war und ist, ich muss es leider sagen, ein solcher Oligarch, weshalb sein Aufstieg umso obszöner und absurder ist – und komisch, wenn er nicht so unerträglich wäre.

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