Don Quijote : Im Wort bleiben
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Was würde jetzt wohl Don Quichote sagen? Susanne Lange ließ sich von dem Klassiker fressen Bild: Daniel Pilar
Fünf Jahre lang hat Susanne Lange die Welt aus den Augen Don Quijotes gesehen. Am Ende hatte sie das Gefühl, mit ihm mitzureiten. Paul Ingendaay über eine Übersetzerin, die sich von einem Buch fressen ließ, um es ins Deutsche übertragen zu können.
Man kann die Geschichte auch anders erzählen. Dann handelt sie von zwei Leuten, die vor vierhundert Jahren nicht durch die Mancha geritten sind. Die nicht gegen Riesen oder Windmühlenflügel, Heere oder Schafherden, nicht gegen Zauberer, Löwen und andere übermächtige Feinde gekämpft, die keine Prügel bezogen und auch sonst keine Abenteuer bestanden haben. Weil sie erfunden sind, der hagere Ritter und der dicke kleine Knappe. Und Pferd und Esel dazu. Hirngespinste eines Schriftstellers namens Miguel de Cervantes Saavedra.
Doch so kam es nicht. Nachdem „Don Quijote von der Mancha“ 1605 und 1615 in zwei Bänden erschienen war, ging das Publikum dazu über, das ungleiche Paar wie wirkliche Personen zu behandeln. Gaukler, Theaterleute und Illustratoren begleiteten den Roman von Anfang an. Eine spanische Winzerei um 1900 taufte ihren Amontillado „Sancho Panza“. Vierzig Jahre später zeigte eine französische Wurstfabrik den Ritter von der traurigen Gestalt, zwei fette Wurststücke auf die Lanze gespießt, fröhlich lachend auf einem Schwein. Für ein Propagandastück der DKP war Don Quijote 1976 der Repräsentant des deutschen Großkapitals, Sancho dagegen der Proletarier.
Ein Werbeträger am Rand der Straßen
Wer heute durch die Mancha fährt, könnte glauben, der Mann habe persönlich den Bau der spanischen Autobahn überwacht. „Ruta del Quijote“ steht auf roten Schildern am Straßenrand. Einmal sah ich etwas jenseits davon die Leuchtschrift eines Bordells, das nach Dulcinea de Toboso benannt war, dem edlen Fräulein, dem Don Quijote seine Heldentaten widmet. Aus einer literarischen Figur ist ein Werbeträger geworden, der viele Millionen Euro einspielt.
„Denken Sie nur an die Vierhundertjahrfeier der Erstausgabe“, sagt Susanne Lange. „Jeder spanische Verlag hatte 2005 einen ‚Don Quijote‘ im Programm. Ich fand es absurd, wie die Spanier versuchten, die Figur zu vereinnahmen. In meinen Augen ähneln sie eher Sancho Panza. Sie richten sich nach den Gegebenheiten und steigen selten darüber hinaus.“
Die Verwandlung zur Übersetzerin
Susanne Lange ist gerade damit fertig geworden, den Riesenroman neu ins Deutsche zu übersetzen. Die beiden druckfrischen Bände aus dem Hanser Verlag liegen vor ihr auf dem Esstisch. „Der geistvolle Hidalgo Don Quijote von der Mancha“, heißt es auf dem Umschlag. Dass sie wirklich abgeschlossen sein sollen, kann die Übersetzerin kaum glauben. Sie hat sich noch nicht ganz getrennt von Don Quijote und Sancho Panza, sie glaubt, die beiden ritten immer noch neben ihr her.
Seit 2001 wohnt Susanne Lange in Sabadell, einer Stadt mit zweihunderttausend Einwohnern nordwestlich von Barcelona. Ihren kubanischen Lebensgefährten, der Schriftsteller ist, verschlug es eher aus Zufall hierher, vorher lebte er in Salzburg. Das allermeiste im Leben einer Übersetzerin ist Zufall, angefangen beim Beruf. Einer ihrer Kollegen hat einmal geschrieben, man werde zum Übersetzer, wie Gregor Samsa zum Käfer geworden ist, über Nacht, per Verwandlung. So ähnlich hört sich auch ihre Geschichte an.
Ein Übersetzerleben beginnt