Dienstleistungsfloskeln : Sehr gerne
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Aber ja, sehr sehr gerne, natürlich, und wie! Wenn „Bitte“ und „Gern“ keine Optionen mehr sind, wird’s schnell überservil. Bild: dpa
Der Dienstleistungssektor wird in turbokapitalistischen Zeiten immer serviler. Das macht sich auch an der Sprache bemerkbar.
Danke – bitte: Das war mal ein nachvollziehbarer Vorgang. Man ging in den Eisladen, suchte sich das Passende aus, der Eisladenbedienstete nahm netterweise die Mühe auf sich, alles nach Wunsch zusammenzustellen, Streusel oben drauf – danke. Bitte. Dieser Abtausch bekundete das Gleichgewicht unter den Menschen. Mit der Dankesformel signalisierte man, dass das vorübergehende Dienstverhältnis nicht etwa gottgegeben sei, der Eisladenbedienstete sagte mit „bitte“ vor der Kundschaft, sich selbst und dem Rest der Welt: Es ist statthaft, dafür zu danken, und ich nehme den Dank gerne entgegen. Damals war die Welt noch im Lot!
Und heute? Ach! Sie wissen es ja sicher schon selbst: Die Sekte der falschen Servilität hat den Dienstleistungssektor unter Kontrolle bekommen, und niemand mehr hinter einer Theke hat etwa „bitte“ zu sagen, denn was maßte er sich damit an! Er insinuierte einen Warenverkehr zwischen Gleichgestellten, ein partnerschaftliches Verhältnis nahezu. Das kann die Sekte der Servilität nicht leiden, zumal sie eng verbandelt ist mit dem Kult der Gewinnoptimierung.
Mitnichten ein Flirtangebot
Heute, wenn ich meine mit „Schoki“ und Zitrone bespielte Edel-Eiswaffel in Empfang nehme, hat der Aushändiger allemal „sehr gerne“ zu sagen. „Gern“, das ließ man sich noch gefallen, das war erfrischend und neu, und es hatte eine Freundlichkeit, an deren Echtheit man für den Moment glauben mochte. Seit aber in den letzten Jahren immer und überall gesehrgernt wird und man sich verschiedentlich vergewissert hat, dies sei mitnichten ein Flirtangebot, sondern eine bloße Standardformel, seitdem geht ein Riss zwischen den jungen adretten Aushändigern und uns. Denn welchen Wert hat „sehr gerne“ noch, wenn „gerne“ oder „mhm“ gar keine Optionen mehr sind?
Wo es einst ein Miteinander in Partnerschaft gab, fordert jetzt der Neofeudalismus als konsequente Fortschreibung des Turbokapitalismus, die Angestellten hätten Knechte zu sein; ihr „Sehr gern“-Mantra dient fast mehr noch zur Selbsterziehung zum Sklavendasein, als dass es um zufriedene Kunden ginge. Der Kunde fühlt sich ja ganz wohl mit seinem Eis, rein sachlich betrachtet hätte er selbst „bitte“ sagen können, der Verkäufer „danke“. Denn hat nicht lediglich ein Tausch stattgefunden – Eis hin, Geld her? Oder wäre Geld, das Phantasma, mehr wert als das handfeste, erfahrbare Eis, dieses durch und durch leckere, werthaltige Produkt? Es wäre ein Zeichen der Zeit.