Der französische Filmregisseur Claude Sautet wurde 1924 geboren und wuchs in Montrouge, einem Ort in der südlichen Pariser Banlieue, auf. Nur sechseinhalb Kilometer vom Pariser Zentrum entfernt, ist das natürlich eigentlich keine Randlage, sondern City, aber in Paris wohnt man da schon außerhalb des Périphérique, des inneren Autobahnrings, der die bourgeois-elitäre Innenstadt von den Außenbezirken trennt. Das kleinbürgerliche Leben dort, geprägt von körperlich harter Arbeit, die Geselligkeit innerhalb der Großfamilie und die hochproblematischen, von verbaler und körperlicher Gewalt grundierten Beziehungen zwischen Männern und Frauen, die Aufsteigerträume und Abstiegsängste, die alltäglichen Vergnügen wie Rummel, Tanz, Kneipe, Bistro, die sonntäglichen Familienpicknicks und Sommeraufenthalte am Meer – das alles hat Sautet stark geprägt.
Als er sieben oder acht Jahre alt ist, gibt die Mutter ihn zur Großmutter nach Paris. Die wohnt im sechsten Arrondissement, zwischen Musée Rodin und dem Jardin du Luxembourg, und natürlich findet Sautet hier mehr Vergnügungsmöglichkeiten und ein städtischeres Leben als in der Peripherie. Zudem ist die Großmutter kinosüchtig, nach Schulschluss geht sie mit ihm fast jeden Nachmittag ins Kino. In den Interviews, die der Filmkritiker und Produzent Michel Boujut mit Sautet über viele Jahre geführt hat, behauptet Sautet zwar, seine Liebe zum Kino habe damals noch nicht ihren Anfang genommen – aber wer weiß, ob es nicht doch die besondere Atmosphäre der kleinen Pariser Kinos war, in denen die Verzauberung begann.
Jetzt 30 Tage kostenfrei testen 2,95 € / Woche
Jetzt kostenfrei Zugang abonnieren?