
Neuer ARD-Chef Gniffke : Vollgas im Leerlauf
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Neuer ARD-Vorsitzender: SWR-Intendant Kai Gniffke Bild: dpa
Der neue ARD-Vorsitzende Gniffke sagt, was er verändern will. Das klingt ähnlich wie zuletzt bei ZDF-Chef Himmler: Die Öffentlich-Rechtlichen reden von Neuem – wollen aber bleiben, wie sie sind.
Die Begründungszusammenhänge, welche die Intendanten von ARD und ZDF wählen, um darzulegen, warum es für das Überleben der Demokratie in unserem Land zwingend sei, dass es ihre Sender in der real existierenden Form gibt und ja nicht anders, haben etwas bezwingend Komisches. Geht es um die Öffentlich-Rechtlichen an sich, schielen die Senderchefs gerne ins Silicon Valley, ins übrige Europa und auf die Verlage.
So etwa der neue ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant Kai Gniffke in seinem Antrittsgespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn wir sehen, was im Moment an Hass und Hetze grassiert, wie viel Desinformation es gibt, stellen wir doch fest: Es hagelt ganz schön rein ins Dach der Demokratie“, sagt Gniffke. „Und wir möchten dazu beitragen, dieses Dach wieder abzudichten. Und wir möchten diejenigen sein, die helfen, Wirklichkeit und Fälschung auseinanderzuhalten.“ In der Verlagsbranche gebe es „nicht ein Zuviel an Vielfalt, sondern zu wenig“. In der digitalen Welt gebe es „Konzentrationsprozesse“ durch „große Techkonzerne, die die Meinungsbildung drohen zu monopolisieren“. Und wenn er sich „anschaue, was in Europa um uns herum passiert: Wie gerade die BBC klein gemacht wird, dass Frankreich sich aus der unabhängigen Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verabschiedet, in Dänemark der Rundfunk geradezu klein gehackt wird. Auch in Südosteuropa ist freie Berichterstattung in Teilen schwer bedroht. Unabhängiger Journalismus ist im Moment auf dem Rückzug, und deshalb wäre der Schritt, jetzt unsere Vielfalt in Deutschland weiter einzuschränken, aus meiner Sicht falsch.“
Nur noch eine Nachrichtensendung?
Das zielt auf die Idee, ARD und ZDF stärker zusammenzubinden und am Ende vielleicht zu fusionieren, wovor kürzlich der ZDF-Intendant Norbert Himmler gewarnt hat, ebenfalls im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Dezember). Er halte es für verfehlt, „den publizistischen Wettbewerb von ARD und ZDF infrage zu stellen“, denn der sei „essenziell“. Es sei „wichtig, dass wir in Deutschland einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, der an entscheidenden Stellen auch im Wettbewerb steht und deshalb auch Pluralität, Vielfalt und Qualität zutage fördert“. Man stelle sich vor, so Himmler, „wir hätten nur noch eine öffentlich-rechtliche Nachrichtensendung in Deutschland oder nur noch von einem Sender Wahlberichterstattung“. „Das wäre eine Machtkonzentration in einer Hand, die gerade in Zeiten, in denen gefordert wird, dass Macht möglichst verteilt sein sollte, wirklich falsch ist.“
Warnen die Intendanten nicht gewissermaßen vor sich selbst? Beim Thema Pressefreiheit und Medienvielfalt fallen sie sich jedenfalls nur selbst ein als Garanten der Demokratie und als Opponenten der Digitalgiganten. Wollten sie denen wirklich etwas entgegensetzen, wäre das ganz einfach. Die Sender könnten für die vielen Texte, die sie im Internet publizieren, von Google, Facebook und Microsoft Lizenzgebühren nach dem Leistungsschutzrecht fordern, das den Sendern zusteht. Darauf verzichten sie aber, obwohl sie an dieser Stelle mit den Verlagen der unabhängigen Presse eine Phalanx bilden und etwas für den Erhalt der Medienvielfalt tun könnten. Das machen sie aber nicht, was von besonderem Nachteil für ihre Autoren ist. Denen stünden dreißig Prozent von dem Geld, das ARD und ZDF von Google & Co. fordern könnten, zu. Und in der Abrechnung der Gebührenkommission KEF, die in diesem Jahr ihre Empfehlung für den Rundfunkbeitrag von 2025 an abgibt, dürfte sich das auch niederschlagen.
Doch an so etwas haben Senderchefs wie Gniffke und Himmler kein Interesse. Sie wollen am Status quo wenig ändern und den Aufschlag, den der WDR-Intendant Tom Buhrow mit seiner Rede in Hamburg geleistet hat, vergessen machen. Am Kern der Kritik, die an ihrem System geübt wird, reden sie gezielt vorbei. Es geht nicht darum, dass es in Deutschland nur noch eine öffentlich-rechtliche Nachrichtensendung gibt, oder darum, dass die Dritten der ARD ein gemeinsames Rahmenprogramm erhalten (Gniffkes Idee) und der eine oder andere lineare Nischenkanal wegfällt, sondern um die Hypertrophie des gesamten Systems, die uns der RBB-Skandal deutlich vor Augen führt.
Dienstlich ist der neue ARD-Vorsitzende übrigens mit einem BMW X5 mit Hybridantrieb unterwegs (Kosten: knapp hunderttausend Euro). Ohne Massagesitze, wie Gniffke betont. Auf dem medienpolitischen Standstreifen hat man es damit im Leerlauf – und mit Himmler als Beifahrer – aber bestimmt auch ganz bequem.