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Sexuelle Übergriffe : Die Scham ist Komplizin der Männer

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Mehr als dreißig Jahre lang erzählte Maria Schneider nicht, wie sie am Set von „Der letzte Tango in Paris“ (1972) behandelt worden war – und dass die beiden mächtigen Männer des Films, Regisseur Bernardo Bertolucci und Marlon Brando, eine Vergewaltigungsszene planten, von der sie sich nie wieder erholte Bild: action press

Frauen wurde es lange anerzogen, sich an sexuellen Übergriffen mitschuldig zu fühlen. Diese Last kann ihnen die MeToo-Debatte vielleicht nehmen.

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          Falls sich Historiker in Zukunft für die MeToo-Debatte interessieren, können sie in Null Komma nichts Nachrichten sammeln über diverse sexuelle Stellungen, die Männer bereits bei der ersten Begegnung ausprobieren wollen, über die Vorliebe mancher Männer, vor nackten Frauen zu masturbieren, über die Lust alternder Männer, junge Mädchen, manchmal auch junge Männer an intimen Körperteilen zu berühren. Kaum etwas aber würden sie aus ihren Quellen über das erfahren, was Frauen Spaß macht. Denn in der MeToo-Debatte treten nur Männer als Handelnde auf. Frauen verbleiben in der Rolle derjenigen, denen etwas zugefügt wird, was sie nicht wollen. Sie sind Opfer – oder, mit einem für europäische Ohren schwer erträglichen, pathosgeladenen Begriff, Überlebende, „survivors“.

          Darin spiegelt sich ein historisch vertrautes Muster. Gutbürgerliche Sexualität fand schon im neunzehnten Jahrhundert zwischen einem prinzipiell aktiven Mann und einer wesensmäßig passiven, duldenden Frau statt. Falls Frauen den aktiven Part übernahmen, taten sie gut daran, das nicht publik werden zu lassen. Denn ihr Status vertrug sich nicht mit zu viel libidinöser oder, wie es damals hieß, „frivoler“ Energie. Ließ sich eine Frau auf ein vor- oder außereheliches Verhältnis ein, galt sie grundsätzlich als die Verführte. Ihre mentalen und physischen Kräfte, so die landläufige Meinung, reichten nicht aus, um den Avancen des Liebhabers zu widerstehen. Ob sie diese Avancen genoss oder nicht, besaß keine Bedeutung; die Geschlechterdifferenz war so stark in der Kultur verankert, dass an der Rollenverteilung zwischen aktivem Mann und passiver Frau nicht gerüttelt werden durfte.

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