Haselnüsse : Das nährt den klugen Kopf
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Zeichnet sich durch eine kluge Essenswahl aus: ein Eichhörnchen Bild: dpa
Die Gemeine Hasel ist ein Ärgernis für Allergiker, war für viele Kulturen aber ein wertvoller Energielieferant. Wer sie anpflanzen möchte, benötigt viel Licht und Platz.
Bald blüht sie wieder, und die Allergie-Saison ist eröffnet. Dem Klimawandel geschuldet, lassen die männlichen Blütenstände der Hasel, die gelben „Kätzchen“, ihre bis zu zwei Millionen Pollenkörner manchmal schon vom Januarwind verwehen, damit sie sich auf den roten Narben der unscheinbaren weiblichen Blüten niederlassen. Spätestens im Februar beginnen die ersten Birken-Allergiker zu niesen, denn die Gemeine Hasel (Corylus avellana), die schon der ältere Plinius als „Abellana“ beschrieb, gehört zur Familie der Birkengewächse, und die Allergene sind von ähnlicher Struktur wie jene der aggressiven Birkenpollen. Wer Haselnuss-Pesto zu sich nimmt, obwohl er allergisch auf Frühblüher reagiert, kann daran sterben.

Freie Autorin in der Rhein-Main-Zeitung.
Dabei haben Haselnüsse im Mesolithikum unsere Vorfahren am Leben erhalten: mit einem Brennwert von 650 Kilokalorien pro hundert Gramm. Hasel-Fossilien reichen zurück bis ins Pliozän. Als sich die Gletscher der jüngsten Eiszeit zurückzogen, wanderten die Haselsträucher aus dem südwestlichen Europa wieder zurück nach Mitteleuropa und bis an den Polarkreis.
Bei Todesstrafe geschützt
Sie verdrängten die Birken-Pioniere und wurden später selbst von Eichen und Buchen verdrängt. Heute ist Corylus mit bis zu 25 Arten in den gemäßigten Zonen verbreitet. Die Germanen dankten dem nahrhaften Lebensmittel, indem sie es bei Todesstrafe schützten: „Frau Haselin“ durfte nicht gefällt werden, ein Fremder nicht mehr als eine Handvoll Nüsse ernten. Vor zwei Jahren erntete allein die Türkei 515.000 Tonnen Haselnüsse der Varietät Corylus avellana pontica, die auf Plantagen am Schwarzen Meer angebaut werden.
Die Kelten nahmen die Hasel in ihren Baumkalender auf. Dort heißt sie „Coll“, was im Ogham-Alphabet dem Buchstaben C entspricht. Wie die antiken Griechen ihre neun Musen, so verehrten die alten Iren ihre neun Wächter-Haseln bei Connlas Well nahe Tipperary als Sträucher der weißen Magie. Weisheit und Poesie steckten für sie buchstäblich in der Nussschale. Druiden kauten die Nüsse. Als der „Vater der Lachse“ ins Meer abwanderte und dabei den berühmten Brunnen passierte, ließen die heiligen Neun je eine Nuss fallen, die der Fisch verschlang. Damit war der „Lachs der Weisheit“ geboren, der künftig zum Laichen flussaufwärts zurückkehrte. Auch die Kelten stellten das Fällen einer Hasel unter Todesstrafe, eine Ehre, die sonst nur noch dem Apfelbaum zuteilwurde.
Die archaische Haselmagie ging in Märchen und Bräuche ein, auch in den christlichen Volksglauben. Nach einer Marienlegende sollte die Hasel Schlangen bannen, die gern in den Hecken schliefen, in denen „Frau Haselin“ zu Hause war. Da ein Haselzweig Hexerei abwehren sollte, pflanzte Aschenputtel eine Haselgerte auf das Grab seiner Mutter: „Bäumchen, rüttel dich, Bäumchen, schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich.“ Mit gegabelten Haselzweigen, sogenannten Wünschelruten, suchte man Schatzhorte, Erzadern und Quellen. Mancher sucht heute noch, obwohl der Haselzauber schon von dem Merowinger-König Dagobert I. (608/10 bis 639) in der Lex Ripuaria verboten wurde. Auch Hildegard von Bingen mochte den Strauch nicht, sie sah in ihm ein „Sinnbild der Wollust“. Böse Mädchen „gingen in die Haseln“, eine Haselgerte zierte statt des traditionellen Birkengrüns am 1.Mai ihre Schwelle.
Viel Licht und Platz nötig
Der bis zu sechs Meter hohe Strauch braucht viel Licht und Platz, weil er sich über Stockausschläge weit verzweigt. In gutem Humusboden kann er achtzig bis hundert Jahre alt werden. Wer die Gemeine Hasel pflanzen will oder ihre Spontanmutation, die Korkenzieherhasel mit ihren gewundenen Zweigen, braucht einen großen Garten. Denn die Hasel ist nicht mit sich selbst fruchtbar, benötigt also einen Gefährten. Dann fruchtet sie auch für Eichhörnchen und Häher, die ihre versteckten Nüsse häufig nicht wiederfinden und somit neue Sträucher pflanzen.
Die Kelten hatten recht: Mit 62 Gramm Fett, zwölf Gramm Eiweiß, elf Gramm Kohlenhydraten, mit E- und B-Vitaminen nährt die Haselnuss tatsächlich das Menschenhirn, etwa das der Studenten, deren „Futter“ Haselnüsse beigemengt sind. Auch die Schweizer haben das längst begriffen; niemand verspeist so viele Haselnüsse wie sie: 2,1 Kilogramm pro Kopf. Weltweit wurden vor zwei Jahren 863.888 Tonnen Haselnüsse geerntet. Nusskerne im Supermarkt stammen allerdings von der größeren südeuropäischen Lambertshasel (Corylus maxima), in der die Lombardei anklingt und mit ihr die Langobarden in nuce.