Smartphone-Verbot an Schulen : Aufmerksamkeitsvampire
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Kinder mit digitalen Aufmerksamkeitsfressern Bild: Maskot /Maskot/F1online
Während deutsche Minister und Lehrkörper von der Digitalisierung der Klassenzimmer reden, schicken die Leute im Silicon Valley ihre Kinder auf Smartphone-freie Schulen. Ist das sinnvoll?
Das Verhältnis von Schulen und digitalen Technologien ist schon seit langem ein Feld von oft ideologisch geführten Auseinandersetzungen. Die jüngste Debatte um das Für und Wider eines Smartphone-Verbotes ist nur die letzte Iteration einer Auseinandersetzung zwischen Traditionalisten und Modernisierern um den Platz von technischen Artefakten im Unterricht.
Geradezu prototypisch war in den 1980er Jahren die Auseinandersetzung um die Zulassung und Einführung von Taschenrechnern im Mathematik-Unterricht. Lange und zäh verhinderten die Rechenschieber-Anhänger den ersten kleinen Schritt ins Computerzeitalter in der Schule. Die DDR fand damals eine durchaus kluge Lösung: Man entwickelte einen speziellen Schul-Taschenrechner, den SR-1, der auf die für den Unterricht nötigen Funktionen abgespeckt war und zusammen mit einem darauf abgestimmten Lehrplan eingeführt wurde – wenn auch nach Meinung der betroffenen Schüler viel zu spät.
Es gibt jedoch einen wichtigen Unterschied zur heutigen Smartphone-Debatte: Während die Taschenrechner nur die Kopfrechenfähigkeiten etwas reduzierten, aber ansonsten eher einen zeitgemäßen Unterricht ermöglichten, stellen Smartphones als Internet-angebundene Geräte ein grundlegendes Paradigma der Schule in Frage: Während der Stunde widmen sich die Schüler dem Unterrichtsstoff.
Es ist ein ungleiches Ringen
Die Pädagogen konkurrieren heute um die Aufmerksamkeit ihrer unter der Bank bildschirmwischenden Schüler mit Facebook, Youtube, Twitch, Twitter und Instagram – allesamt Dienste, die in geradezu erschreckender Weise darauf optimiert wurden, möglichst viel Zeit und möglichst viel Aufmerksamkeit zu konsumieren. Je mehr die Nutzer mit den Apps der Plattformen interagieren, desto mehr Werbung kann ihnen serviert werden.
Es ist ein ungleiches Ringen. Die Anziehungskraft und Manipulationsmacht der Social-Media-Werbeplattformen beruht auf ihrer präzisen Ausnutzung der Schwächen des menschlichen Gehirns. Unsere Sehnsucht nach Anerkennung und Feedback, unsere Neugier, unser Bedürfnis dazuzugehören, sind alles Eigenschaften, die tief in uns emotional verankert sind. Facebook & Co. werden permanent darauf optimiert, Dopamin-Ausschüttungen zu erzeugen, indem diese Mechanismen gezielt bedient werden. Dopamin wird zwar landläufig „Glückshormon“ genannt, ist aber eigentlich ein essentieller Bestandteil des menschlichen Motivations- und Belohnungssystems. Likes und vielfaches Weiterteilen, die unmittelbaren Reaktionen auf Posts bedienen dieses System. Weil ständig irgendwas Neues gepostet wird, wird unsere Neugier befriedigt, und wer Teil einer Konversation ist, fühlt sich zugehörig und nicht allein. Nicht umsonst sprechen Forscher, die diese Zusammenhänge außerhalb der Konzerne erforschen, seit geraumer Zeit vom „Digital Crack“.