Autor Yukio Mishima : Vom Streben und Sterben
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Bereits zu Lebzeiten war Mishima, der Schriftsteller, Dramatiker, Essayist und Selbstdarsteller, eine Ikone. Niemand hat die medialen Möglichkeiten seiner Zeit intensiver genutzt. Er überraschte die Zeitgenossen mit immer neuen Rollen und Extravaganzen: als Bodybuilder, der seinen schmächtigen Körper zu einem imposanten Muskelpaket hochtrainierte, das er den besten Fotografen seiner Zeit in martialischen Posen und surrealistischem oder verkitschtem Ambiente präsentierte. Ob als Filmschauspieler in zweitklassigen Samurai- oder Gangsterfilmen, als Nachtklub-Chansonnier oder als Celebrity, die mit den Berühmtheiten der Zeit, aber auch der Halbwelt, auf vertrautem Fuß stand und als perfekter Gastgeber brillierte – Mishima genoss große Sichtbarkeit. Das „Time Magazine“ zählte ihn zu den hundert bekanntesten Persönlichkeiten der Welt. Dreimal wurde er für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen, den dann aber 1968 als erster Japaner sein früherer Mentor Yasunari Kawabata erhielt.
Aufgewachsen in einer Familie des gehobenen Mittelstandes unter der strengen Ägide seiner herrischen, eifersüchtigen und häufig bettlägerigen Großmutter, die im selben Haushalt wohnte und ihn während seiner Kindheit weithin nach außen abschirmte, fand Mishima schon früh zur Literatur, las Oscar Wilde und Raymond Radiguet, den japanischen Ästhetizisten Junichiro Tanizaki, dazu Rilke und Hölderlin. An der Adelsschule Gakushuin wurde seine literarische Begabung bald erkannt, erste Gedichte und Erzähltexte erschienen in der Schülerzeitschrift. Erzogen im Geist des damals vorherrschenden Militarismus und im ständigen Bewusstsein der Lebensgefahr durch Luftangriffe, wenngleich weit entfernt von der Realität des Kriegs im Pazifik, erschien ein früher „schöner Tod“ als idealer Abschluss eines Heldenlebens. Das Kriegsende im August 1945 mit der Kapitulationserklärung durch den Tenno bedeutete für ihn und seine Generation, jedenfalls in seiner Wahrnehmung, nicht etwa Befreiung und Möglichkeit zum Neuanfang unter demokratischen Vorzeichen, sondern Orientierungslosigkeit und Beginn einer inneren Leere.
Bereits mit seiner zweiten Buchveröffentlichung, dem 1949 erschienenen, autobiographisch grundierten Roman „Geständnis einer Maske“, gelingt Mishima der große Durchbruch. Der paradoxe Titel ist Programm. Er spielt zwar auf die beliebte Gattung der japanischen Bekenntnisromane mit ihrem Selbstentblößungsgestus an, positioniert sich aber in einem radikal neuen Feld. Heute würden wir wohl von einer Coming-of-Age-Geschichte sprechen, aber was für ein grandioser Wurf! Da erzählt der junge Protagonist, ein sensibler und phantasiebegabter junger Mann, in starken, sinnlichen Bildern und Szenen davon, wie er sich allmählich seiner homoerotischen Neigung bewusst wird. „Der Latrinenreiniger, die Jungfrau von Orléans, der Schweißgeruch der Soldaten, all das bildete einen Teil des Vorspiels zu meinem Leben.“ Beim Anblick von Guido Renis Gemälde des heiligen Sebastian, mit halbnacktem Oberkörper, gefesselt und von Pfeilen durchbohrt, erlebt er seine erste Ejakulation.