Erheblich, das heißt nicht ganz unbedeutend
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Reichskanzler Adolf Hitler und Kronprinz Wilhelm von Preußen treffen am „Tag von Potsdam“ zur Eröffnung des Reichstages aufeinander. Bild: Bundesarchiv/Bild102-14437/Georg
Hat der frühere Kronprinz Wilhelm dem Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ geleistet? Zwei Historiker bezweifeln dies in einem Zeitungsartikel. Doch ihre Darstellung ist unzutreffend.
Die Familie von Preußen verlangt vom deutschen Staat Entschädigung für Enteignungen durch die sowjetische Besatzungsmacht. Gemäß Paragraph 1 Absatz 4 des Ausgleichsleistungsgesetzes von 1994 sind diese Zahlungen unmöglich, falls Wilhelm von Preußen „dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet hat“. In der Tageszeitung „Die Welt“ haben die Historiker Ulrich Schlie (Bonn) und Thomas Weber (Aberdeen) jetzt in einem zweiseitigen Artikel die Auffassung vertreten, dass dem ehemaligen Kronprinzen diese erhebliche Vorschubleistung nicht zur Last gelegt werden könne. Die entgegengesetzte Auffassung etlicher Fachkollegen, hinter die sich ungewöhnlicherweise auch der Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlands in Eingaben an die Exekutive gestellt hat, halten Schlie und Weber für eine „historische Fehleinschätzung“. Weber ist als Hitler-Biograph ausgewiesen, Schlie als Experte für die auswärtige Politik der Hitlerzeit.
Sie erheben nicht den Anspruch, neue Tatsachen beizubringen oder auf übersehene Umstände des historischen Kontexts aufmerksam zu machen. Ihr Argument ist vielmehr ein juristisches: Sie beziehen sich auf die Maßstäbe der „bisherigen Rechtsprechung“. Demnach komme es darauf an, ob die Unterstützungshandlungen „auch tatsächlich eine wesentliche Wirkung entfaltet haben“. Es müsse „einen Erfolgseintritt der Errichtung oder Festigung nationalsozialistischer Herrschaft geben, der kausal und wesentlich auf die zu untersuchenden Handlungen zurückzuführen ist“. Subjektiver und objektiver Tatbestand müssten zusammenkommen.
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