Des Kaisers Kreuzzug gegen die Juden
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Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1917 in Potsdam Bild: dpa
Die Hinweise sind mehr als deutlich und dürfen nicht verschwiegen werden: Der Antisemitismus Wilhelms II. war keine zeitweilige Verirrung, er hatte System, erklärt der Historiker John Röhl in seinem Gastbeitrag.
Man reibt sich wieder einmal die Augen. Kann das denn sein, dass die Zeugnisse für den rabiaten Antisemitismus des abgedankten deutschen Kaisers, die Karina Urbach jetzt in amerikanischen Archiven aufgedeckt hat, als immerhin menschlich verständliche Ausrutscher eines über den Verlust seines Thrones verbitterten Monarchen in Frage gestellt werden (F.A.Z. vom 21. September)? Die von Urbach zitierte Äußerung Wilhelms II. an seinen Freund Poultney Bigelow vom 15. August 1927, Juden und Mücken müssten vernichtet werden, „Ich glaube das Beste wäre Gas!“, bildet ja nur einen Bruchteil derartiger Expektorationen des Monarchen aus der Exilzeit, die bereits vor gut dreißig Jahren veröffentlicht wurden und längst Bestandteil der öffentlichen Deutung der deutschen Geschichte von Bismarck zu Hitler sein müssten.
Das Tagebuch des Leibarztes Dr. Alfred Haehner, die Gesprächsaufzeichnungen zahlreicher Besucher des gestürzten Monarchen in Amerongen und Doorn, seine eigenhändigen Briefe an Freunde und ehemalige Mitarbeiter, seine endlosen Denkschriften, die er vervielfältigen ließ und überall herumschickte, und nicht zuletzt die gleichlautenden Erklärungen seines Bruders Prinz Heinrich von Preußen – all diese authentisch überlieferten Quellen öffnen uns ein furchterregendes Fenster auf die Seele Kaiser Wilhelms im Exil und dürfen nicht verschwiegen werden.
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