Wir Verdrängungskünstler
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Ein Wartezimmerschild in einer Zahnarztpraxis Bild: dapd
Wie lassen sich die weit streuenden Corona-Maßnahmen begründen? Um diese Frage zu beantworten, muss unsere Gesellschaft vor allem aufhören, sie zu verdrängen. Ein Gastbeitrag.
Zu den Eigenheiten moderner Gesellschaften ohne gefestigten Wertungshintergrund gehört es, Antworten auf grundsätzliche Fragen so lange in die Zukunft zu verschieben, bis sich die Fragen irgendwann nicht mehr stellen. Derzeit lässt sich das an der Diskussion über Sonderrechte für Geimpfte (oder, worüber ja angesichts ihrer weit höheren Zahl auch zu diskutieren wäre, für von der Krankheit Genesene) beobachten. Bei ihr hofft man angesichts der Schwierigkeiten einer moralischen Antwort irgendwie, dass die sachliche Vorfrage nach der möglichen Ansteckungsgefahr erst zu einem Zeitpunkt geklärt wird, an dem so viele geimpft oder genesen sind, dass sich von Sonderrechten nicht mehr sprechen lässt.
Eine weitere dieser lästigen Fragen ist die nach dem Grund der großflächigen Freiheitseinschränkungen des derzeitigen Lockdowns, zusammen mit der weiteren Frage, von welchem Zeitpunkt an dieser Grund seine rechtfertigende Kraft verliert. Auch die jüngste Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die hier eigentlich Klarheit hätte schaffen sollen, lässt beides bemerkenswert offen, wenn dort als Ziel aller zu ergreifenden Maßnahmen nebeneinander der Schutz von Leben und Gesundheit und die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems genannt werden. Zwischen beiden Zielen wird in keiner Weise gewichtet. Offenbar hat niemand bemerkt, dass es sowohl für die Intensität als auch für die weitere Aufrechterhaltung der Maßnahmen einen Unterschied machen könnte, welches Ziel man verfolgt.
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